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Verkaufte Unabhängigkeit

Bremen verkauft fast fünfzig Prozent seiner Stadtwerke an zwei Energiegiganten / Mit den Millionen werden Haushaltslöcher gestopft  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Bremen (taz) – Als in den neuen Bundesländern die Frage heiß debattiert wurde, ob die Kommunen den Anspruch auf „ihre“ kommunalen Strom- und Gasversorgungseinrichtungen durchsetzen könnten und auch wollten, da waren die Berater aus Bremen immer gern gesehen: Bremen mit seiner Anti- Atom-Tradition, seinem hochkarätig besetzten „Energiebeirat“ und dem Energie-Institut, für das sogar Klaus Traube an die Weser geholt wurde, hatte einiges an Erfahrung mitzuteilen über die Strategie der westdeutschen AKW- Energiemonopole und die Vorteile unabhängiger kommunaler Stadtwerke.

1986 hatte die Preag, eine Veba- Tochter, mit massiven Interventionen den Bau eines neuen Kohlekraftwerkes in Bremen verhindern wollen, um ihre eigenen Atomstrom-Überkapazitäten loszuwerden – vergeblich. Denn Tschernobyl einigte den Öko-Flügel der Sozialdemokraten mit den ÖTV-Interessen an Arbeitsplätzen in eigenen Kraftwerken, und Bremen widerstand damals den Verlockungen des Stromgiganten. Aber die Finanzkrise des Stadtstaates zwingt zur Mobilisierung von „Reserven“.

Und außerdem drücken die Schulden aus den Schattenhaushalten, aus denen sowohl der Werftkonzern Vulkan als auch die Stahlhütte Klöckner unterstützt werden mußten. 1993 verabschiedete sich die SPD deshalb von ihrem strikten Nein und gestand dem Senat den Verkauf von 24,9 Prozent der Stadtwerke-Anteile zu. Verhandelt wurde aber von Anfang an über zwei Pakete mit jeweils 24,9 Prozent. Eins, schrieb die Wirtschaftswoche schon im Herbst 1994, sollte die Veba/Preag bekommen, das andere der Gas- Vorlieferant Ruhrgas.

Während die Bündnisgrünen insbesondere auch vor den besonderen Interessen der Vorlieferanten warnen, sind diese „strategischen“ Motive für die Arbeitnehmerbank der Stadtwerke, deren Zustimmung sich Bürgermeister Klaus Wedemeier versicherte, besonders interessant. Denn der dritte, belgische, Interessent Tractebel, so fürchtet der Stadtwerke-Betriebsrat, würde sehr viel mehr an der Rentabilitäts- Schraube der Stadtwerke drehen als die Preag. Wenn die Bremer Stadtwerke sich in die Arme der Preag flüchten, so hoffen gleichzeitig die Bremer Sozialdemokraten, wird die Konkurrenz nach dem Auslaufen der Strommonopole weniger bitter. Einen Preiskrieg mit der Preag jedenfalls wollen sie den Bremer Stadtwerken nicht zumuten. Und schließlich zahlt die Preag auch einen besseren Lohn als die Stadtwerke bisher – der Atomstromgigant war deshalb schon seit Jahren der Wunschpartner der Stadtwerke-Arbeitnehmer.

Die Veba dürfte auch aus einem anderen Grund großes Interesse an dem Engagement in Bremen haben: In wenigen Jahren wird hier ein 500-Millionen-Mark Auftrag ausgeschrieben, nämlich der Neubau einer Müllverbrennungsanlage.

Drei Stunden Debatte brauchten die SPD-Delegierten am vergangenen Samstag, dann warfen sie ihre bisherige ablehnende Position über den Haufen und sanktionierten nachträglich die Verkaufsverhandlungen über 49,8 Prozent der Stadtwerke-Anteile. Auch das Argument, daß dies im Stadtparlament nach dem Bruch der Ampelkoalition nur zusammen mit der CDU zu beschließen ist, beeindruckte eine satte Zweidrittelmehrheit nicht.

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