: Puckparadoxien
Halbfinal-Play-off: Landshut gewinnt beim Krefelder EV mit 3:2 und erzwingt ein fünftes Match ■ Aus Krefeld Bernd Müllender
Eishockey hat seine ganz eigenen Gesetze. Das wichtigste lautet dabei: Der bessere Torwart entscheidet ein Match oder sogar eine Serie, womöglich gar eine Meisterschaft. Der bessere war im vierten Halbfinalmatch des Krefelder EV gegen den EV Landshut (wieder einmal) Krefelds Keeper Karel Lang, weil er ungefähr doppelt so oft sich recken und strecken mußte wie sein Landshuter Gegenüber Petr Briza und die Schüsse dutzendweise hielt. Kein Wunder, verriet doch ein neues Fanplakat den Grund: „Am 8. Tag schuf Gott die Fanghand von Karel Lang.“ Aber auch am neunten Tag ruhte der Herr nicht und hat mit besonderer Modellierkunst den Körper von Briza geformt. Sein Panzer stand fast allen Krefelder Schüssen im Weg. Am Ende hieß es 2:3. Für Landshut. Somit 2:2 insgesamt im Modus „Best of five“.
Das andere Puckgesetz lautet, man könne kein Spiel von der Strafbank aus gewinnen. Mag sein, aber man muß es auch nicht verlieren durch Rüpelhaftigkeit und Strafen, wenn sich der Gegner besonders dämlich anstellt. Über drei Minuten spielte der KEV im ersten Drittel erfolglos mit fünf gegen drei. Gewinnen kann man von der Strafbank nicht, aber man kann eine Niederlage clever – und mit der Routine und Roheit eines Udo Kießling (39 Jahre mittlerweile!) – verhindern. Und dann klug kontern und gewinnen.
Der Krefelder EV, Eishockey- Champion zuletzt in helmfreien Zeiten (1952), später pleite, 15 Jahre in der Versenkung verschwunden, auferstiegen in den Bundesliga-Olymp erst wieder vor knapp vier Jahren, hatte die große Chance. Ein Sieg, und man wäre sensationell im Finale gegen die durchaus schlagbaren Kölner Haie gewesen. Bei der Schlußsirene die Stimmung frostiger als die Eisfläche. Überall? Nein: Ausgerechnet Krefelds Coach Mike Zettel schlürfte genüßlich, kurioserweise gutgelaunt und plauderselig an einem Gläslein Champagner, während Landshuts Pendant Bernie Johnston daneben angespannt und wortkarg am Pils nippte. Auch das ein Widerspruch? Eine Merkwürdigkeit?
Zettels Puckphilosophie gibt die Antwort. „Das Schwierigste im Hockey“, sagt er, „ist immer der letzte Sieg.“ Dieses Gefühl kennen die Krefelder nach der anfänglichen 2:0-Führung nach zwei Siegen jetzt schon zweimal. Landshut aber erstmalig genau jetzt, und bis zum Showdown-Match am Mittwoch abend wird sich dieses Wissen um die Letztsiegproblematik langsam und gnadenlos in die Seele brennen. Keine Frage, so Zettel, Landshut sei jetzt der hohe Favorit. Und damit unter enormem psychischem Druck. Der KEV kann verlieren, weil es alle jetzt erwarten. Landshut muß sich gegen Euphorie wehren. Das blockiere, so Zettels Vision, nage an den Nerven, zerre am Gemüt. „Ich möchte“, dozierte der KEV-Coach, „jetzt nicht mit Landshut tauschen.“
Eine kluge Logik. Aber wird dadurch nicht der KEV zum Favoriten im Unterbewußtsein? Und damit alles wieder anders? Bei zwei gleich starken Teams entscheidet bei Puck paradox letztlich ein dummer Abwehrfehler, eine krumm kullernde Spielscheibe im falschen Moment, eine homöopathische Unachtsamkeit. Oder ein winziger Designfehler des Herrn am achten oder neunten Tag.
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