: „Ich bin doch kein dummer Schuljunge“
■ Manfred Uschner, ehemaliger SED-Funktionär, zur Entscheidung der SPD, ihn nicht in die Partei aufzunehmen
taz: Hat sich Ihr Freund Egon Bahr schon gemeldet und Ihnen Trost gespendet?
Manfred Uschner: Nein, ich habe ihn angerufen. Er gab mir, wie immer, sehr kluge Ratschläge für mein weiteres Verhalten.
Was für Vorschläge?
Ich solle nicht im Zorn um mich schlagen, sondern die Dinge ruhig auf den Punkt bringen.
Fühlen Sie sich nach der Entscheidung des Landesvorstandes nicht wie ein kleiner Junge geschulmeistert?
Im ersten Moment schon. Aber man muß ja sehen, daß der Geschäftsführende Landesvorstand für mich gestimmt hat. Mit der Abstimmung des Landesvorstandes am Montag abend sollte vor allem eine Spaltung in Ost- und West- SPD verhindern werden. Ich weiß, daß viel mehr Westberliner für meine Mitgliedschaft waren. In so einer Situation muß man sich in der Tat fragen: Hat Uschner die SPD gespalten, oder ist die SPD nicht in sich in dieser Frage gespalten?
Suchen Sie eine neue Partei?
Nein. Vor zwei Wochen wurde mir zuverlässig mitgeteilt, daß Angelika Barbe (Mitbegründerin der Ost-SPD; die Red.) und Helmut Fechner von der Treptower SPD in einer Johannisthaler Parteigruppe aufkreuzten und dort diskriminierende Bedingungen formulierten, unter denen ich in der SPD hospitieren könnte. Ich wäre wirklich ein kleiner dummer Schuljunge, wenn ich diesem sogenannten Angebot folgen würde. Ich dürfe anwesend sein, mir Kritik und Fragen anhören, hätte aber selbst kein Rederecht. Das halte ich für eine krasse Verletzung der elementaren Regeln der Menschenwürde, wie sie auch im Grundgesetz festgelegt sind. Ich werde daher lieber das Angebot der Kreuzberger SPD annehmen. Dort lohnt es sich, im Kiez mitzuarbeiten.
Als Hospitant?
Die sehen mich dort einfach als Kumpel an, der mithelfen will, einen etwas intelligenteren Umgang mit der PDS zu pflegen.
Werden Sie sich weiter um eine SPD-Mitgliedschaft bemühen?
Im Moment steht mir der Sinn danach überhaupt nicht. Ich habe noch einen Rest Selbstwertgefühl. Ich möchte trotzdem diejenigen aufrufen, die meinetwegen in die SPD gegangen sind, sich nicht irritieren zu lassen durch eine kleine Gruppe, die mit selbstangemaßtem moralischem Rigorismus glaubt die Dinge im Osten beurteilen zu können.
Ist die SPD auf dem Weg zu einer Sekte, nur weil sie Manfred Uschner nicht aufgenommen hat?
Mein Name ist viel zu sehr hochgespielt worden. Die Debatte hat eines gezeigt: daß eine bestimmte Gruppe der Ost-SPD an dem Denken von 1989 festhalten und eine Öffnung der Partei verhindern will. Da werden Wendebesitzstandsmentalitäten berührt und wird die Angst geschürt, jetzt kämen Heerscharen von SED-Funktionären in die SPD. Das ist doch völliger Unsinn.
Interview: Severin Weiland
Siehe Bericht Seite 4
und Kommentar Seite 10
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