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■ Cash and CrashDie neuen Leiden der betrogenen Betrüger

London (taz) – Nicholas Lyell ist Großbritanniens Generalstaatsanwalt. Er kann einfach nicht glauben, daß ein einziger junger Mann das älteste Privatbankhaus des Königreichs versenkt hat. Das ist ja auch absolut nicht wahr. Simex, die Börse von Singapur, hatte drei ehemalige Polizisten bei dem Maklerstand eingeschleust, an dem der Tokioter Börsenindex Nikkei-225 gehandelt wurde.

Dort war auch Barings 28 Jahre alter Händler Nick Leeson tätig, der immer noch in Frankfurt in Auslieferungshaft sitzt. Die Simex-Spione hatte jeden Schritt notiert. „Sie tauchten irgendwann im Dezember auf und beobachteten uns wie Habichte“, sagte einer von Leesons Kollegen. „Zum Börsenschluß waren sie stets besonders aufmerksam.“ Zweimal schlugen sie beim Stammhaus in London Alarm. Bekanntlich hat das wenig genützt. Jetzt sind 850 Millionen Pfund weg, und Niederländer sind in das Herrenzimmer von Baring eingezogen.

Ist das nun einfach Pech oder handfester Betrug? Weder noch, meint Eddie George, Direktor der Bank von England. Der Hauptgrund für den Zusammenbruch der Barings Bank sei „ein altmodisches Versagen der Kontrollmechanismen“ gewesen, hat George gestern gesagt. „Das war im Grunde genommen gar kein Derivat-Problem, sondern ein Kontroll-Problem.“

Nun ist aber die viel modernere Börsenaufsicht in Singapur vermutlich auch nur aufgrund von Hinweisen anderer Händler hellhörig geworden. Drei Beamte des britischen Betrugsdezernats sind am Wochenende nach Singapur geflogen. Aber sie wollen dort nicht etwa lernen, wie man Betrüger auf frischer Tat ertappt. Nein, die Briten haben die Reise in den fernen Osten nur angetreten um, wie es heißt, ihre „Amtskollegen bei Singapurs Auslieferungsantrag für Nick Leeson“ zu unterstützen. Das wird Leeson nicht gerne hören. Er hat mehrfach den Wunsch geäußert, vor ein britisches Gericht gestellt zu werden – falls man ihm etwas vorzuwerfen habe.

In Singapur, wo man um den Ruf der Börse wirklich besorgt ist, hätte er mit einer drakonischen Strafe zu rechnen, so befürchtet er wahrscheinlich zu Recht. Aber auch die Beamten des britische Betrugsdezernats betrachten mit Sorge ihre Schreibtischplatten. Daran ist nun ganz eindeutig Nicholas Lyell schuld. Nach einjähriger Untersuchung will der Generalstaatsanwalt noch in dieser Woche über die Zukunft ihrer Behörde entscheiden. Das Betrugsdezernat war ins Gerede gekommen, weil seine Ermittlungen vor Gericht nur selten standhalten. Lyell kann das Amt auflösen und die Betrugsfälle direkt der Staatsanwaltschaft unterstellen. Experten erwarten jedoch, daß er dem Dezernat eine Gnadenfrist gewährt. Mit dem Fall Barings könnte sie aber schon wieder abgelaufen sein. Ralf Sotscheck

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