piwik no script img

Friede den Hütten

■ Neu im Kino: „Tigrero“, ein Film übers Filmemachen jenseits von Hollywood

Man kann es sich lebhaft vorstellen: Ava Gardner und Tyrone Power känpfen sich – verschmutzt und verliebt – durch den brasilianischen Urwald, immer auf der Flucht vor Raubtieren, Naturgewalten und womöglich Menschenfressern. Ihnen tapfer zur Seite steht ein edel-wilder eingeborener Jaguarjäger, ein sog. Tigrero, gespielt von John Wayne. Solche Filme laufen zuhauf abends im Dritten. Nur ,,Tigrero“ eben nicht, weil dieses Projekt noch vor der ersten Klappe eingestellt wurde. Keine Versicherung mochte glauben, daß die Hollywoodstars heile aus der Wildnis zurückkehren würden. Regisseur Samuel Fuller blieben lediglich Probesufmahmen aus einen Dorf der Karajä-Indianer. Dieses einstündige Filmmaterial von 1954 diente nun dem finnischen Regisseur Mika Kaurismäki als Ausgangspunkt seiner ungewöhnlichen Dokumentation ,,Tigrero – a film that was never made“.

Kaurismäki schickte Altmeister Fuller zusammen mit seinen gut dreißig Jahre jüngeren Regiekollegen Jim Jarmusch zurück in den Regenwald, wo die beiden die Karajä erneut aufsuchen und ihnen die alten Aufnahmen zeigen. Die Reise der beiden kommt nicht bieder dokumentarisch daher, sondern bietet Fuller und Jarmusch viel Raum, sich selbst zu inszenieren und zu karikieren: der eine als zigarre-schmauchender Haudegen, der nicht vom Abenteuer lassen kann, und der andere als schlaksiger New Yorker Szenegänger, der sich fragt, was um alles in der Welt er fernab der Zivilisation verloren hat. Wenn sich der kleine, zähe Fuller endlos palavernd vom erschöpften Jarmusch durch unwegsame Gewässer rudern läßt, erinnert das an den Weltraumwicht Yoda aus ,,Das Imperium schlägt zurück“, der seinen Schüler Luke Skywalker durch Schufterei auf den Weg zur Weisheit bringen möchte. Fuller redet dabei über seine eigenen Filme, das Gesetz des Dschungels, das er in ,,Tigrero“ thematisieren wollte, über die friedliche Lebensweise der Karajä, die es dem Kriegsfilm- und Western-Regisseur erstaunlicherweise angetan hat, und über die seltsame Besetzungspolitik des Studios für den ,,Tigrero“: ,,He's black, he's brown, he's Indian – he's John Wayne!“

Ernsthafter sind natürlich die Passagen über das Schicksal der Indianer, aber ein zu starker Bruch entsteht nicht. Zunächst ist Fuller enttäuscht: Statt der ursprünglichen Waldhütten trifft er auf lieblose Container-Bauten, die als Schulen dienen, in denen die jungen Karajä die ,,Wege des weißen Mannes“ lernen. Aber tiefer im Urwald gibt es das Ursprüngliche noch: Die Hütten sind größer geworden, aber die Bräuche sind geblieben. Einige der älteren Einwohner erinnern sich an den kauzigen Regisseur und seine Zigarren, die Aufnahmen werden gezeigt, und es entstehen melancholische Momente, wenn die Indianer ihre verstorbenen Vorfahren auf Film sehen.

Zum Schluß wird wieder vergnüglich inszeniert: Jarmusch läßt sich bemalen, in den Stamm aufnehmen und möchte lieber doch nicht zurück nach Hause. Fuller geht und verspricht, ihn in 30 Jahren wieder abzuholen. Andreas Neuenkirchen

Kino 46 (Waller Heerstr. 46), 30.3. bis 4.4., Anfangszeiten siehe Kinoprogramm

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen