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Warum geht ein Snob auf den Weddinger Trödelmarkt?

■ betr.: „Trödelmarkt der Schäbig keiten wird geschlossen“ von Pe ter Lerch, taz vom 22. 3. 1995

[...] Der Artikel ist platt rassistisch. Grundtenor des Artikels ist: Ausländer sind sowieso alle kriminell. Das liegt ganz auf der Linie mit den rassistischen Plakaten des Bundesfinanzministeriums gegen die „organisierte“ Kriminalität, die unbehelligt die Plakatwände zieren, damit wird der Artikel auch prompt eingeleitet.

Die Beschreibung des Flohmarktes ist voll von rassistischen Zuordnungen, die ich hier nicht aufzähle, weil ich sonst den ganzen Artikel wiederholen würde. Demgegenüber stehen dann die „seriösen Händler“ (weil deutsch?) und „redliche Geschäftsleute“ des „ursprünglichen“ Flohmarkts.

Der „schier unerträgliche Gestank“ scheint die „massenhaft ... strömenden“ BesucherInnen nicht zu stören. Die BesucherInnen werden ja auch nicht gefragt, ob sie etwas gegen eine Schließung haben. Das ist ja auch nicht Thema des Artikels. Thematisiert wird auch nicht, daß Armut und Ausgrenzung hinter dem immer größer werdenden informellen Sektor (nichts anderes ist der sogenannte Schwarzhandel) stehen könnte. Nach Ursachen wird nicht gefragt, es geht wohl nur darum, die Stadt sauberzuhalten. Aber keine Angst – in den Yuppiebezirken der Stadt gibt es solche Flohmärkte schon lange nicht mehr. Silvia Habekost

Polnische Zigarettenschieber, Pole, Russe, polnische Handlungsreisende, rumänische Sinti, ärmere Türken, orientalische Kunden, die peruanische Indiogruppe und ein junger Moslem. Wahlweise in den Rollen als Zigarettenschieber (natürlich die Polen), Schwarzhändler, Diebe und Einbrecher. (Pardon, die Indiogruppe war nur für die Folklore zuständig.) Schäbige Freihandelszone – Müll, der auf Kartons und improvisierten Tischen angeboten wird, Klamotten aus Altkleidercontainern, klamme Lumpen und wieder die Indios, die ungerührt (!!!) neben dem Stand mit den Gebrauchtlatschen spielen – da stinkt es besonders eklig.

Ja vor allem der „schier unerträgliche Gestank“ – wen wundert's bei den vielen Fremdländischen. Es fehlen: die Vietnamesen oder vereinfacht: die Asiaten – und natürlich die Neger. Hat unser Autor nicht genügend aufgepaßt (schwerer Tadel!).

Gott sei Dank gibt es aber dann doch noch: Ein Plakat des Bundesfinanzministeriums, die Polizei, die festnimmt, seriöse Händler, redliche Händler.

Ich muß heute irgendwie nicht gut drauf sein. Ich lese das nette kleine Artikelchen und muß dauernd an Rassismus, Ausländerhaß, Fremdenfeindlichkeit und lauter so ein Zeug denken. Dabei ist der Autor des Artikels bestimmt weder fremdenfeindlich, rassistisch oder gar ein Ausländerhasser. Er langweilt uns nur nicht mit purer Weitergabe der Information oder durch so was wie 'ne „Hintergrundanalyse“. Er nimmt nicht übertrieben Rücksicht auf die Fremdländischen und verteilt seine Beobachtungen unter alle, die er so sieht, wie er sie sieht.

Und überhaupt: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Ausländerhaß in der taz: unvorstellbar – wär ja auch schäbig. Manfred Rais

Warum geht so ein Snob auf den Weddinger Trödelmarkt und nicht ins KaDeWe? „Polnische Zigarettenschieber“, „Schwarzhändlerszene“ und „klamme Lumpen“ sind offensichtlich unerträglich für den zartbesaiteten Herrn Saubermann. Besonders erwähnenswert erscheinen ihm die Nationalitäten der Käufer und Händler. „Rumänische Sinti“, „ärmere Türken“ und „orientalische Kunden“, scheint der „Müll“ und der „schier unerträgliche Gestank“, im Gegensatz zum Autor, nicht zu stören. Hinter diesen Beschreibungen liegt nicht nur die Arroganz des gutsituierten West-Intellektuellen, der es nicht nötig hat, auf so einem Flohmarkt einzukaufen, und an der Straße des 17. Juni besser aufgehoben wäre, sondern auch das alte Bild vom schmutzigen, ewig handelnden Zigeuner, Orientalen etc.

Wir raten dem antiseptischen Autor, Flohmärkte zu meiden. Susanne Weigl, Simona Jahnke

Ein unmöglicher Artikel, der schon beim ersten Lesen einen widerlichen Beigeschmack hinterläßt. Politisch korrekte Ausländerfreundlichkeit verbessert das Klima zwischen Deutschen und Nichtdeutschen garantiert nicht – ist wahrscheinlich sogar eher kontraproduktiv; d'accord! – deswegen aber in arrogantem Ton „polnischen Handlungsreisenden“ mal schnell zu unterstellen, sie würden geklaute Mountainbiketeile verkaufen oder grob zwischen „redlichen Geschäftsleuten“ im vorderen Teil des Markts und „rumänischen Sinti“ zu unterscheiden, die weiter hinten „ärmeren Türken Klamotten ... verhökern, die offensichtlich in den Tagen zuvor aus Altkleidercontainern gewühlt wurden“, sind nichts anderes als Peinlichkeiten, die diesen Artikel zum rassistischen Diskurs par excellence befördern.

Vor allem im zweiten Teil des Artikels finden sich jede Menge derartiger Formulierungen, die die Flohmarktverkäufer und Kunden herabwürdigen und mit denen sich der Autor in unerträglicher Weise über Polen, Russen, Sinti, Moslems im allgemeinen, Türken und schließlich auch noch eine peruanische Indio-Musikgruppe lustigmacht.

Wenn den Autor das ganze Ambiente des Flohmarktes befremdet (was offensichtlich der Fall ist), dann sollte er die Menschen mitsamt ihrer Warenpalette dennoch einfach beschreiben können, ohne gleich die Kulturen verächtlich zu machen, der diese Menschen angehören. Das ist das absolut mindeste, was jedeR von der taz erwarten darf. Ich lese das Blatt ja nicht etwa, weil ich irgendwelche bescheuerten Neonazi-Sprüche à la National-Zeitung hören will.

Praktisch-pragmatisch: Selbst wenn alle Autoradios, die auf dem Flohmarkt verscherbelt werden, geklaut sein sollten, kann man das humorvoll und ohne rassistischen Unterton als eine sich aufdrängende Vermutung beschreiben. Das gleiche gilt für die Sache mit den „aromatisch duftenden“ Schlappen aus zweiter Hand, die ich dem Autor sozusagen als Strafe für diesen überaus danebengeratenen Artikel an den Hals wünsche (aber mindestens für zwei Jahre)! Annette Deist

Wenn auf dem Flohmarkt in der Gustav-Meyer-Allee nach Ansicht des Autors hauptsächlich „Müll“ verkauft wird, stellt sich die Frage, ob dieser Ort wirklich ein Zentrum der Hehlerei ist beziehungsweise wie viele der Händler daran beteiligt sind: Wozu soll man Müll stehlen?

Lohnend wäre es doch, einmal die „seriösen Händler“ auf dem fernen Antikmarkt an der Straße des 17. Juni zu fragen, woher denn ihre schicken Jugendstilkacheln stammen. Zufälligerweise findet sich in den Blöcken zwischen Greifswalder Straße und Prenzlauer Allee kaum noch ein Hausflur, dessen schöne Fliesen nicht großflächig herausgebrochen sind. Warum schreibt der Autor nicht darüber? Bert Hoppe

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