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Sehen, wie die Erde endgültig baden geht

■ Ausstellung „Global Change“ im Botanischen Garten ab heute geöffnet

Eine riesige dunkle Fläche ist in einem ebenfalls fast dunklen Raum aufgebaut. Tausende winzige Lichter lassen die Konturen Europas genau erkennen. An manchen Stellen ballen sich diese Lichtchen, dort, wo Städte sind. Das Bild entspricht den Aufnahmen amerikanischer Militärsatelliten, die Wärmequellen geortet haben. Jede Lampe zeigt den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid durch einen Verbrennungsprozeß. Autos, beheizte Häuser und Industrieanlagen reichen, um einen Erdteil sichtbar zu machen. „Europa bei Nacht“ heißt das Kunstwerk, das die allgegenwärtige Klimazerstörung darstellt.

Die Installation ist Teil der Ausstellung „Erdsicht — Global Change“, die gestern abend von Bundesumweltministerin Angela Merkel und Umweltsenator Volker Hassemer (beide CDU) eingeweiht wurde. Bis Ende Mai sind die Kunstwerke im Veranstaltungshaus des Botanischen Gartens in Steglitz zu sehen.

Die UNO, Veranstalter des Berliner Gipfels, gab 1992 weltweit 1,9 Milliarden Dollar für friedenserhaltende Maßnahmen aus, so eine riesiege Schautafel neben einem anderen Kunstwerk von „Global Change“. Im gleichen Jahr gaben die einzelnen Mitgliedsstaaten 815 Milliarden Dollar für militärische Zwecke aus, listet die Tafel weiter auf, das sind 2,2 Milliarden am Tag. Zu der Auflistung horrender Militärbudgets und erschreckender Flüchtlingszahlen gehört eine metallene Weltkarte zum Kunstwerk „Waffen, Militär und Flüchtlinge“. Auf den Stahl-Kontinenten symbolisieren lange Nägel militärische Kommandozentralen. Schrauben und Muttern stellen verschiedene Waffengattungen und Areale dar. Und je eine Unterlegscheibe steht für einen Kernreaktor. Europa ist voll. Lückenlos ist Westeuropa bedeckt, was die Bedrohungspotentiale jenseits irgendwelcher Zahlenspiele erkennen läßt. Das genau sei die Qualität der Ausstellung, lobte gestern Senator Hassemer, „sie stützt sich auf exakte wissenschaftliche Daten“.

Dennoch werden Besucher von „Global Change“ nur selten mit Zahlen oder anderem abstrakten Wissen konfrontiert. Die Ausstellung ist die plastische Darstellung dessen, was für die meisten unvorstellbar ist. Die Überbevölkerung zum Beispiel: Die für das Jahr 2100 geschätzten Bevölkerungszahlen jedes Landes sind als riesige Spitzen über dem jeweiligen Landesgrundriß modelliert. Entstanden ist dabei ein Relief, das an eine Tropfsteinhöhle erinnert.

In einer Computersimulation werden Satellitenaufnahmen mit Kunstbildern so kombiniert, daß Zuschauer den bisherigen Wandel der Erde nachvollziehen und sich ein Bild davon machen können, wie der Treibhauseffekt auf die Erde einwirken wird: Sie säuft ab, erst die kleinen Inseln, dann der Rest. Christian Arns

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