: Nicht bibelfest
■ betr.: „Press-Schlag“, taz vom 21.3. 95
Der kennt kein Sakrileg, der je ein veritables Eishockeyspiel miterleben durfte ... Einzug der Spieler im Schein Tausender Wunderkerzen, kollektives Absingen beschwörender Gesänge, dem fragenden Liturgen antwortet eine Fangemeinde. Kann in dieser zauberischen Luft noch wunder nehmen, daß der heiß begehrte Puck einer Hostie nachgeformt ist, daß die Spielerzahl – zwei mal sechs – die magische Apostel-Zwölf ergibt? Wie ist es schön, daß unser atavistisches Unterbewußtsein stets neue Riten schöpft, die erfühlt werden wollen. Darum müssen Leibesübungen-RedakteurInnen auch nicht bibelfest sein. Daß Robert Reichel der „Messias“ ist, dem sage und schreibe 800 nach Calgary-Lourdes pilgernde Frankfurter LöwInnen huldigen, nimmt der Eishockey-Getreue baffen, doch leuchtenden Auges noch hin.
Die Theologie soll aber doch bei Licht besehen nicht mit der Logik über Kreuz liegen. Also:
A: Robert Reichel ist der Messias.
B: Er ist wie der Nazarener Messias ein Zimmermann.
Contradictio! In der einvernehmlichen Annahme, daß A aus genannten Gründen zutrifft, muß B falsch sein. Nicht Jesus, vielmehr sein Nennvater Joseph übte das Zimmermannshandwerk aus. Er ernährte den künftigen Messias auf diese Weise, nicht aber lehrte er ihn diese Kunst. Und jetzt, liebe RedakteurInnen, tuet Buße und bittet Sankt Wayne um Nachsicht. Norbert Schellberg, Berlin
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