: UNO wachsweich gegenüber Burundi
■ Sicherheitsrat verabschiedet Erklärung: Wenn jemand einen Völkermord begeht, wird er vor Gericht gestellt / Militärische Interventionsüberlegungen verworfen
Berlin (taz) – Der UNO-Sicherheitsrat hat in der Nacht zum Donnerstag eine „Erklärung“ zu Burundi verabschiedet, in der er die jüngsten Massaker verurteilt und große Sorge äußert, aber keine konkreten Maßnahmen beschließt. Zugleich droht er – möglicherweise in weiser Voraussicht –, im Falle eines Völkermords in Burundi die Kompetenzen des Ruanda-Völkermordtribunals auf Burundi auszuweiten. An eine Militärintervention denkt die Völkergemeinschaft nicht.
Zu einer Intervention hatte am vergangenen Wochenende, zum Höhepunkt der blutigen Pogrome von Tutsi-Milizen an Hutu-Zivilisten in der burundischen Hauptstadt Bujumbura, die von Hutu beherrschte Regierungspartei Frodebu aufgerufen, deren Hauptquartier gerade in Flammen aufgegangen war. Die Partei und der ihr entstammende Staatschef Sylvestre Ntibantunganya sehen keine andere Handhabe mehr, um weitere Gewaltausbrüche zu stoppen, da die Armee des Landes als Überbleibsel der ehemaligen Tutsi-Militärdiktatur nicht als neutral gilt.
UNO-Generalsekretär Butros Ghali selbst hatte die Entsendung von 500 bis 1.000 UN-Soldaten vorgeschlagen, wobei offenblieb, welche Rolle sie spielen sollten. Mit der Empfehlung einer Ausweitung der Kompetenzen des Ruanda-Tribunals hat jetzt zunächst der Gegenvorschlag der USA triumphiert. Auch Frankreich sagte, für eine Intervention sei es zu früh. Großbritannien hatte immerhin angeregt, einen Teil der 5.500 in Ruanda stationierten Blauhelme nach Burundi zu verlegen.
Der UNO-Beschluß ist Ausdruck einer Mischung von Hilflosigkeit mit der Hoffnung, daß es doch noch zu einer politischen Einigung in Burundi kommt, die man dann vom Ausland her unterstützen könnte. Gesandte der EU- Troika aus Frankreich, Deutschland und Spanien, angeführt vom französischen Entwicklungshilfeminister Bernard Debré, hatten Ende letzter Woche einen Tag lang Burundi besucht und danach empfohlen, Ausländer sollten das Land verlassen. Eine von Paris entsandte Air-France-Maschine flog tatsächlich am Dienstag mit knapp 200 Ausländern, darunter 167 Franzosen, aus Burundis Hauptstadt Bujumbura nach Europa. Es handele sich aber nicht um eine Evakuierung – es gingen bloß Angehörige von in Burundi arbeitenden Ausländern „in Ferien“, behauptete Debré.
Ein belgisches Flugzeug brachte am Mittwoch noch einmal über 300 Ausländer außer Landes. An Bord dieser Maschine war in Bujumbura der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Jose Ayala Lasso, eingetroffen, dessen Reiseprogramm die Probleme der UNO mit Burundi verdeutlicht: Er sollte bis gestern die 1994 beschlossene Vergrößerung der UNO-Menschenrechtsbeobachtergruppe in Burundi von zwei auf 35 Mitarbeiter vorbereiten, die bisher aus dem Grund nicht geschehen ist, weil die UNO über die Bereitstellung von 3,2 Millionen Dollar zur Finanzierung der Mission noch nicht entschieden hat.
Der Franzose Debré wurde von der französischen Regierung am Dienstag zu einer zweiten Eintagesreise nach Burundi geschickt, zu dessen Abschluß er die Unmöglichkeit einer internationalen Intervention betonte und statt dessen auf den bevorstehenden Besuch einer OAU-Ministerdelegation verwies. Rhetorisch fragte er: „Wer will denn gegen wen intervenieren?“ Die Opfer der Massaker vom Wochenende, die ihm diese Frage vermutlich beantworten könnten, traf er nicht, sondern erklärte öffentlich seine Hochschätzung für Armeegeneralstabschef Bikomagu. Das wurde sogleich propagandistisch ausgeschlachtet: Joseph Nzehimana, Präsident der radikalen Tutsi-Partei Raddes, die vorige Woche mit Angriffen auf eventuelle Interventionstruppen gedroht hatte, sagte, er sei über die Worte des Ministers „sehr glücklich“.
Derweil kommen möglicherweise auf Burundis Armee – die sich durch Beiseitestehen bei den Massakern des Wochenendes unrühmlich hervortat – neue Aufgaben zu. Premierminister Antoine Nduwayo, der im Rahmen der Machtteilungsvereinbarung vom September 1994 von der wichtigsten Tutsi-Partei Uprona gestellt wird, legte am Mittwoch einen „Aktionsplan“ vor, der die Entwaffnung „terroristischer Banden“ vorsieht. Gemeint sind damit vermutlich vor allem die radikalen Hutu-Milizen in Burundi, die nicht weniger als radikale Tutsis die Auslöschung ihrer Gegner auf ihre Fahnen geschrieben haben. Sollte die Armee gegen diese in den Kampf geschickt werden, scheint ein Bürgerkrieg unausweichlich. Dominic Johnson
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