: Atom-Castor durch Hamburg?
■ Greenpeace warnt vor Atomtransport durch die Hansestadt / Bürgermeister Voscherau soll sich für ein Durchfahrverbot einsetzen Von Kai von Appen
AktivistInnen der Hamburger Greenpeace-Kontaktgruppe schlagen Alarm: Nach Informationen der Umweltschutzorganisation liegt Hamburg an einer der möglichen Transportstrecken für den Castor-Behälter mit hochradioaktiven abgebrannten Brennelementen aus dem badischen Atomkraftwerk Philippsburg, der im Frühsommer in dem seit über einem Jahrzehnt brachliegenden Zwischenlager Gorleben eingelagert werden soll. Greenpeace-Atom-Experte Heinz Laing: „Es gibt momentan zwar keine konkreten Anhaltspunkte, aber Hamburg liegt an einer der drei Strecken, die in Betracht kommen.“
Nach Greenpeace-Recherchen gibt es insgesamt nur vier gleisbestückte Routen, die für den atomaren Castor ins Wendland führen könnten. Die Strecke über Ostdeutschland scheidet allerdings schon aus, da mehrere Städte ein Durchfahrverbot erteilt haben. Daß der direkte Weg über Nürnberg/Uelzen genommen wird, gilt auch eher als unwahrscheinlich, weil die Polizei und Atomlobby an dieser Route mit geballten Aktionen der AtomgegnerInnen zu rechnen haben.
Es bleibt: Die Strecke übers Ruhrgebiet via Hannover ins Wendland oder übers Ruhrgebiet, Bremen, Hamburg-Harburg, Maschen, Lüneburg nach Dannenberg. Für diese Route spreche, so der Greenpeace-Experte, daß die Polizei im großen Verschiebebahnhof Maschen die AtomkraftgegnerInnen an der Nase herumführen könne. Heinz Laing: „Was erst einmal in Maschen verschwindet, findet man nicht wieder, weil alles so groß ist.“
Mit einer Briefaktion wollen die Hamburger Greenpeace-AktivistInnen nun die HanseatInnen bewegen, bei Bürgermeister Henning Voscherau vorstellig zu werden, daß er sich in Hamburg für ein Durchfahrverbot stark macht. „Werden Sie Ihrer Verantwortung zum Schutz der Hamburger BürgerInnen gerecht, so wie es bereits die Verantwortlichen der Städte Göttingen, Jena und Halle getan haben“, so der Wortlaut.
Denn der badische Atom-Castor ist lediglich der Vorbote: Nach den Plänen der Gorlebener Brennelemente Lagerhausgesellschaft (BLG) sollen in den Monaten darauf weitere 419 atomare Behälter ins Zwischenlager verschoben werden. Greenpeace: „Jeder Atommülltransport stellt ein Risiko dar, und mit jedem weiteren wächst das Risiko.“
Nach einem Gutachten der Gruppe Ökologie in Hannover zur Sicherheit von Transporten mit hochradioaktiven Materialien durch Hamburg könnte ein Transportunfall mit abgebrannten Brennelementen verheerende Folgen haben.
Nach der Erkenntnis der WissenschaftlerInnen dürfte „die Umsiedlung von Bewohnern und anschließende Dekontamination ...in einer Entfernung von mehr als sechs Kilometern erforderlich sein.“ Dabei seien die Castor-Transporte in die „Notlösung“ Gorleben gar nicht notwendig, weil die kraftwerksinternen Lagerbecken der BRD-Atommeiler bislang noch genügend Aufnahmekapazitäten hätten. Die Ermahnung an Bürgermeister Henning Voscherau: „Wenn die Bundesrepublik nicht schnellstmöglich aus der Nutzung der Atomkraft aussteigt, werden Tau-sende von Transporten in den nächsten Jahren durch unsere Städte rollen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen