Press-Schlag: Ade, Heimat Giesing!
■ 1860s Gastro-Ökonom Wildmoser bügelt Minderheitenbedürfnisse ab
Kaum hatte Karl-Heinz Wildmoser das Schreiben der „Faninitiative Sechz'ger Stadion“ zu Gesichte bekommen, da wechselte dessen Farbe auch schon auf Wutrot. Schlimme Dinge mußte der gewaltige Präsident des Fußball-Bundesligisten TSV 1860 München da lesen. Etwa, daß er versuche, „demokratische Entscheidungen durch Erpressung zu beeinflussen“, nur weil er angekündigt hatte, fürderhin seine privates finanzielles Engagement erheblich zu reduzieren, falls der Umzug ins Olympiastadion im Juni nicht von der Mitgliederversammlung abgesegnet werden sollte. Warum, droht polternd Wildmoser, sollte er auf eigene Kosten Flugzeuge chartern, um Spieler zu suchen, wenn „gewisse Teile des Vereins“ selbigen zu ruinieren trachten?
Nun war es zwar in der Bundesliga bisher einmalig, für die Heimat auf die Straße zu gehen, doch haben am Samstag wirklich nur etwa 350 Leut' dafür demonstriert, auch künftig in Giesing Fußball kucken zu können. 25.000 aber haben danach zugeguckt beim 3:1-Sieg gegen Dynamo Dresden, einem direkten Konkurrenten im Wettstreit um den Klassenerhalt. Zählt doch nur der? Sollte er tatsächlich gelingen, will Wildmoser seine Löwen ja weit weg von Zuhause in olympischer Manege kämpfen sehen – weil's lukrativer ist. Unter dem Zeltdach am Mittleren Ring gibt es mehr und komfortablere Sitzplätze, die mithin teurer verkauft werden können. Eine halbe Million Mark zusätzliche Zuschauereinnahmen soll das pro Heimspiel bringen, die verbesserten Vermarktungsmöglichkeiten durch größere Werbeflächen noch nicht mitgerechnet. Nur so, meint Wildmoser, könnte der Verein sportlich konkurrenzfähig bleiben.
Auch die Faninitiative hat eine Rechnung aufgestellt, die sich auf ein bereits existierendes Sanierungskonzept für die Ostkurve beziehen. 3.000 Steh- und 4.000 Sitzplätze sollen dort gebaut werden und jährlich zwei Millionen Mark mehr in die Vereinskasse fließen lassen; die acht Millionen Mark teure Teilrenovierung wollen die TSV- Anhänger über ein Bausteinmodell finanzieren, bei dem Fans und Sponsoren sich ab 5.000 Mark aufwärts beteiligen können. Allerdings: Daß daran ein Interesse besteht, ist mindestens ebenso zweifelhaft wie die Langfristigkeit des Konzepts – mit dem Ausbau der Ostkurve ist es längst nicht getan. Nun wirft Initiativensprecher Heiko Müller Karl-Heinz Wildmoser vor, sich bei der Stadtverwaltung nicht mehr für diese Pläne eingesetzt zu haben. Stimmt, sagt der Sechzigerchef, das habe er auch gar nicht vor: „Eine Renovierung des Stadions an der Grünwalder Straße kommt für uns aus finanziellen Gründen nicht mehr in Frage.“
Gastronom Wildmoser sieht eine Unkostenflut auf den Verein zukommen, der seine Konsolidierungsabsichten in Gefahr bringen würde. Peinlich nur, das für die vom Verein in Auftrag gegebene Umbaukonzeption, die der Architekt in einem Gespräch mit dem Wirtschaftsbeirat kostenfrei angeboten hatte, auch noch eine Rechnung über 300.000 Mark ins Haus flatterte. Dadurch und mit all den geplanten Verstärkungen für die Mannschaft dürfte es Wildmoser nur mühsam gelingen, sein Vorhaben zu realisieren, die von ihm auf derzeit 2,5 Millionen Mark bezifferten Verbindlichkeiten des Klubs mittelfristig zu tilgen. Markus Götting
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