: Die freiwillige Fusion
■ Morgen im Modernes: In der „Jazzkantine“ beschnuppern sich Jazz und HipHop ganz zwanglos
Eigentlich ist das, was „Jazzkantine“ versuchen, eine doofe Idee: Jazz und HipHop passen normalerweise nicht zusammen. Trotzdem probieren sich immer wieder diverse Projekte an einer Vermischung aus; schließlich war es einst der Jazz, der die Spießer zum Haareraufen veranlaßte, das hat heute der HipHop übernommen. Jazzer sind allerdings selten davon angetan, die Begleitung für einen Sprechsänger abzugeben, der das Publikum rappend über seine musikalischen, charakterlichen und körperlichen Vorzüge informiert. Deshalb sieht die Fusion meistens so aus, daß stinknormale HipHop-Scheiben mit Samples aus Vaters Jazz-Sammlung an den textfreien Stellen versehen werden. Stehen MCs und DJs tatsächlich mal live mit den älteren Herren, die sie zuvor beklaut hatten, auf der Bühne, wissen die Altmeister oft nicht, an welcher Stelle sie wie lange spielen dürfen. Die Improvisationsfreudigkeit des Jazz und die Durchstrukturiertheit des HipHop widersprechen sich.
„Jazzkantine“ aber wollen anders sein. Ungefähr 30 deutsche Musiker (die genaue Zahl haben scheinbar selbst die Beteiligten vergessen) aus den besagten ungleichen Richtungen haben sich unter diesem Namen freiwillig zusammengefunden, um auch ihre Stile zusammenzubringen. Das klingt auf ihrem Album in der Tat homogener, als man das von vorangegangenen ähnlichen Experimenten kennt. Die Songs sind nicht eingeteilt in Jazz- und Rap-Passagen. Eher gibt der Jazz dem HipHop eine weichere, relaxtere Note, die plötzlich soulig oder funkig daherkommt. So ähnlich, wie gelb und blau grün ergibt. Gute Songs wollen trotzdem erstmal geschrieben werden. Auf dem „Jazzkantine“-Album stehen großartige programmatische Nummern wie „Respekt“ neben pubertären Blödsinn wie „55555“.
Live kann man morgen Abend im Modernes entscheiden, ob Blödsinn oder Großartigkeit die Oberhand behält, wenn Rap-Jecken wie Smudo von den „Fantastischen Vier“ auf gelernte Jazzer treffen.
Andreas Neuenkirchen
Heute um 21 Uhr in der Kulturetage in Oldenburg. Am Mittwoch um 20 Uhr im Modernes
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