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Später Prozeß wegen Schleyer-Entführung

Anklage gegen RAF-Gefangene Hofmann wegen Entführung des früheren Arbeitgeber-Präsidenten  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) – Die seit fast 15 Jahren inhaftierte RAF-Gefangene Sieglinde Hofmann muß erneut vor Gericht. Voraussichtlich noch vor Ostern will die Bundesanwaltschaft nach Informationen der taz Anklage wegen mehrfachen Mordes und Mordversuchs erheben. Hofmann gehörte während der blutigen RAF-Offensive des Jahres 1977 zu den führenden Köpfen der Gruppe. 1982 verurteilte sie das Oberlandesgericht Frankfurt wegen Beteiligung an der mißglückten Entführung und Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto im Juli 1977. Die Strafe wäre in etwa einem Monat, 15 Jahre nach ihrer Festnahme in Paris, verbüßt.

Die Bundesanwaltschaft wirft der inzwischen 50jährigen in der neuen Anklage die direkte Beteiligung an der Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer vor. Im Kugelhagel des RAF-Kommandos starben Anfang September 1977 drei Polizisten und Schleyers Fahrer. Sechs Wochen später erschoß die RAF den Arbeitgeberpräsidenten, nachdem die Grenzschutzeinheit GSG 9 in Mogadischu den von Palästinensern entführten Urlauberjet „Landshut“ gestürmt hatte und die RAF-Gründer Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Hochsicherheitstrakt von Stuttgart-Stammheim tot aufgefunden worden waren.

Außerdem soll sich Sieglinde Hofmann wegen des im Sommer 1977 fehlgeschlagenen Raketenwerferanschlags auf die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe und wegen Beteiligung am gescheiterten Sprengstoffanschlag auf den Nato- Oberbefehlshaber Alexander Haig in Belgien (1979) verantworten.

Die neue Anklage beruht vorrangig auf Aussagen der 1990 in der DDR festgenommenen RAF- Aussteiger, die Hofmann übereinstimmend der Führungsgruppe der RAF zurechneten. Für ihre Aussagebereitschaft hatten die Aussteiger Strafnachlässe nach der umstrittenen „Kronzeugenregelung“ erhalten.

Fünf weitere Verfahren, die die Bundesanwaltschaft aufgrund der Aussagen der DDR-Heimkehrer gegen bereits zu Langzeitstrafen verurteilte Gefangene der RAF anstrengte, sind inzwischen abgeschlossen. Sie endeten mit langjährigen und lebenslangen Freiheitsstrafen.

Die fast fünfjährige Verzögerung im Fall von Sieglinde Hofmann hängt mit ihrer Festnahme in Paris im Mai 1980 zusammen. Seinerzeit hatten die Franzosen die RAF-Aktivistin zwar nach zwei Monaten ausgeliefert. Der Auslieferungsbeschluß beschränkte sich jedoch auf die Mitgliedschaft in der RAF und die Beteiligung im Fall Ponto. Wegen anderer Delikte darf Hofmann nach internationalem Auslieferungsrecht erst angeklagt und verurteilt werden, wenn eine neue, erweiterte Auslieferungsbewilligung vorliegt.

Einen entsprechenden Antrag stellte die deutsche Seite bereits 1990 auf der Grundlage der Kronzeugenaussagen. Zwei französische Gerichtsinstanzen und die Regierung in Paris stimmten dem Bonner Auslieferungsersuchen bis Ende 1994 zu. Nach wie vor fehlt jedoch die letztinstanzliche Entscheidung des Conseil d'Etat, des höchsten französischen Verwaltungsgerichts. Auf diesen Beschluß mag die Bundesanwaltschaft nicht länger warten, zumal dieser Entscheid formal keine aufschiebende Wirkung hat und die Franzosen auch keinen ausdrücklichen „Vorbehalt“ gegen eine vorzeitige Anklageerhebung formuliert haben. Offenbar gehen alle Beteiligten davon aus, daß der Conseil d'Etat die Entscheidung der französischen Regierung bestätigen wird.

Die Anklageerhebung vor Ablauf der 15jährigen Haft Anfang Mai hat für Sieglinde Hofmann auch einen „positiven“ Nebeneffekt: Wäre die Strafe nämlich vorher völlig verbüßt gewesen, hätte das Gericht nicht mehr die Möglichkeit gehabt, aus den 15 Jahren und dem neuen, möglicherweise lebenslangen Urteil eine „Gesamtstrafe“ zu bilden. Dann hätte „lebenslang“ noch einmal die Mindestverbüßung von „15 Jahren plus x“ bedeutet. Um diesen „Supergau“ zu vermeiden, könnte allerdings auch die aktuelle Strafhaft formal bis zur neuen Anklageerhebung unterbrochen werden.

Sieglinde Hofmanns Hamburger Anwalt Heinz-Jürgen Schneider erklärte gegenüber der taz, er rechne damit, daß das neue Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart stattfinden soll, also im Stammheimer Prozeßbunker.

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