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Die universelle Nützlichkeit der Dieselmotoren

Mercedes-Werbeplakate in der Frankfurter Schirn  ■ Von Birgit Glombitza

Hingegossen liegt die Bubikopfträgerin auf einer Chaiselongue und schaut in den funkelnden Nachthimmel – zum „Stern ihrer Sehnsucht“. Aufmerksam scheint sie den Einflüsterungen des dreizackigen Himmelskörpers zu lauschen, denn schon auf dem nächsten Plakat („Ihr Weihnachtswunsch“) überredet sie ihren Mann zum Kauf einer Limousine. Frau und Maschine – auf den Mercedes-Benz-Anzeigen und -Plakaten in der Frankfurter Schirn Kunsthalle ist diese Verbindung eine spirituelle, zumindest eine instinktive. Da spielt eine Dame keck mit einem Mercedes-Lenkrad, eine andere hält selig ihr erstes Auto wie ein Baby im Arm. „Mein Benz“ steht unter ihren tanzenden Beinen geschrieben.

Doch die werbestrategischen Umschmeichelungen vermeintlich weiblicher Qualitäten wie Fürsorglichkeit und intuitives Verständnis für die wesentlichen Dinge im Leben wurden rasch von der scheinbaren Sachlichkeit schlichter, technischer Darstellungen abgelöst. Anfang der 20er Jahre auf den Plakaten von Hans Neumann, von Cucuel und Offelsmeyer noch als hochglänzende Extravaganz und als „Chance für neue Klassenunterschiede“ angepriesen, präsentierte sich Mercedes in den ausgehenden 20er und 30er Jahren fast ausschließlich als Kampfmaschine, die zwar den Ausgang des Ersten Weltkriegs nicht mehr ändern konnte, aber doch an der eigentlichen Überlegenheit des Verlierers keinen Zweifel mehr lassen wollte.

So sind es, zumindest in dieser Ausstellung, vor allem die Rennwagen aus dem Hause Benz, die zum Symbol ungebrochener Fortschrittseuphorie, zum deutschen Zivilisationsgut schlechthin avancierten. Deshalb stellen Siegerlisten und aus dem Plakat drängende Rennkisten, mit wilden Geschwindigkeitslinien umstrichelt, das Gros der Firmenschau. Und hinter den Stellwänden dudelt Musik, eine Stimme überschlägt sich: „Mit unvermindertem Siegeswillen nimmt Hermann Lang das Rennen wieder auf.“ Er wird „Deutschland den ersten Sieg beim Großen Preis von Frankreich 1938 erkämpfen“. Der Sprecher schmatzt vor Genugtuung, und das Orchester übt sich in Variationen auf das Deutschlandlied.

Der Originalfilm aus den 30er Jahren ist zu Ende, doch auf dem Gang durch die Firmengeschichte erlebt man, wie kerndeutscher Sportsgeist in pures Blechgewitter umschlägt: „Tempo, die Jagd zwischen Katastrophen und Glorie, einer gegen alle, alle gegen einen... Abenteuer und Gefahr, das Leben gewinnt mit dem Auto an neuer Würze“, schreit es von Texttafeln zwischen den Plakaten. Doch plötzlich werden die Kommentare auf den weißen Schildern kleinlaut. Die tausend Jahre zwischen 1933 und 1945, für Mercedes eine einträgliche Liaison mit den kriegstreibenden Nationalsozialisten, werden allenfalls sanft angetickt. Hier ein steinerner Arierblick à la mode, dort eine Parole „Wille zur Tat“. Meldeplakate für den Zwangsarbeitereinsatz bei Mercedes hängen hier nicht.

Für die Texte der Aussteller birgt die Geschichte des Dritten Reiches ganz andere Übel: „Sie hat nicht nur die Welt nachhaltig verändert, sondern belastet auch das Gewissen der Deutschen über einen geschichtlichen Zeitraum hinweg.“ Ein paar Passivierungen hier, ein paar Verkürzungen da, und schon wirkt der Faschismus wie die mystisch-böse Zauberei einer dunklen Schicksalsmacht: „Was 1933 mit verblendeter nationaler Begeisterung angefangen hatte und nur sechs Jahre später ohne jede Euphorie in den Krieg mündete, endete nach einem Blutbad mit 50 Millionen Toten, nach Verwüstung ganzer Regionen Europas und der Schuld an unvorstellbaren Verbrechen mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945.“ Und es endete auch mit der nahezu vollständigen Zerstörung sämtlicher Daimler-Benz-Werke in Deutschland. Auf eine Gedenktafel für das so gebeutelte Unternehmen wurde dankenswerterweise verzichtet.

Daß der Katalog die Kriegsgeschäfte des Unternehmens zumindest erwähnt, kann die Geschichtsblindheit der Präsentation auch nicht mehr auffangen. Hellmut Seemann, Geschäftsführer der Kunsthalle, nimmt's gelassen: „Die Schirn wird für Ausstellungen dieser Art immer offen sein, solange sie kostenneutral und kunsthistorisch attraktiv sind.“ Letzteres sind wohl nur die Grafiken von Anton Stankowski und Harry Preußner, der vor allem Ende der 50er Jahre mit nur drei Farben, schnörkellosen Schrifttypen und piktogrammartigen Details ein einprägsames formales Konzept präsentierte. Eine Schiffsschraube, eine Baggerschaufel oder ein Warnsignal reicht Preußner, die universelle Nützlichkeit von Dieselmotoren anzudeuten. Und Anton Stankowski zielte mit seinen immer gleichen diagonalen Schriftzügen hinter schwarzweiß gezeichneten Sportwagen als einer der ersten Mercedes-Werbezeichner auf Wiedererkennungseffekte und eine Art Identität von Typographie und Produkt.

Aber um die ästhetische Entwicklung der Gebrauchsgrafiken und die Eigenarten ihrer Gestalter schert sich die Ausstellung wenig. Ihr geht es vielmehr um die Veredelung der Firmengeschichte als Exempel deutschen Durchhaltewillens. „Wir haben es geschafft“, signalisiert der Mercedesfahrer Mitte der siebziger Jahre seinem „autolosen Nachbarn“. Was als Zivilisationseuphorie einzelner Gipfelstürmer begann, fand in der rituell beschworenen Mobilität seinen vorläufig endgültigen Ausdruck. Mercedes war eben immer mehr als ein Automobil, Mercedes ist eine Mission.

„Der Stern ihrer Sehnsucht. Plakate+Anzeigen von Mercedes- Benz“. Bis 30. April in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt am Main.

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