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Kreislauf der Gewalt in Burundi

■ Berichte des US-Botschafters über Massaker der Armee an Hutu-Zivilisten in Nordost-Burundi sind möglicherweise nur die Spitze eines Eisberges / "Es ist schrecklich und übertrifft jede Vorstellungskraft"

Bujumbura (AFP/wps/taz) – Robert Krueger, US-Botschafter in Burundi, nahm kein Blatt vor den Mund. Er habe Leichen von Babys gesehen, die mit Macheten verstümmelt oder zu Tode geprügelt wurden, sagte er. Er habe Kinder gesehen, die so brutal geschlagen wurden, daß ihr Gehirn aus der Schädeldecke quoll. Andere seien mit Messern, Macheten, Steinen oder Bajonetten mißhandelt und getötet worden. „Es ist schrecklich und übertrifft jede Vorstellungskraft“, sagte Krueger nach seiner Reise in den Nordosten Burundis, wo diese Bluttaten letzte Woche von der Tutsi-dominierten burundischen Armee und Tutsi-Milizen begangen worden sein sollen.

Mehr als 400 Hutu, vor allem Kinder und Frauen, sind laut Krueger dabei getötet worden. Seine Berichte wurden gestern von Hilfsorganisationen bestätigt. Nach Angaben von Menschenrechtlern und Kirchenleuten kann die Bilanz der Massaker weitaus höher liegen. Allein in Gasorwe, so Krueger, seien von Mittwoch bis Freitag vergangener Woche 150 Menschen getötet worden, die Dorfbevölkerung sei fast vollständig vernichtet worden. Auch in der Provinz Muyinga sei es zu ähnlichen Massakern gekommen.

Der Nordosten Burundis, nahe den Grenzen zu Tansania und Ruanda gelegen, ist der wichtigste Fluchtort für die etwa 200.000 Ruander, die nach der Niederlage des für den Völkermord verantwortlichen früheren ruandischen Regimes im vergangenen Sommer nach Burundi kamen und oftmals den früheren ruandischen Milizen angehörten. In Burundi, jahrzehntelang von einer Tutsi-Militärdiktatur beherrscht, ist die Macht offiziell zwischen Tutsis und Hutus geteilt; doch wird die Armee nach wie vor von Tutsis kontrolliert und entzieht sich weitgehend der Kontrolle des nominell kommandierenden Hutu-Staatspräsidenten Sylvestre Ntibantunganya. Diplomaten beschreiben einen eskalierenden Zyklus der Gewalt, der von beiden Seiten ausgeht: Während Tutsi-Milizen in den von ihnen kontrollierten Orten Jagd auf gebildete Hutus machen, vertreiben Hutu-Milizen auf dem Land die Angehörigen der Tutsi-Minderheit, welche wiederum Schutz bei der Armee suchen. Nach Diplomatenschätzungen fallen mittlerweile jede Woche 1.500 Menschen der Gewalt zum Opfer.

30.000 Bewohner der Hauptstadt flohen vor einer Woche aus Bujumbura nach Zaire; 51.000 Landbewohner im Nordosten versuchten Ende letzter Woche, über die gesperrte Grenze nach Tansania zu gelangen. Dieses Flüchtlingsdrama war das Ergebnis der jetzt bekanntgewordenen Untaten der Armee. Diese folgten wiederum auf einen am Mittwoch verbreiteten Aufruf des Tutsi-Premierministers von Burundi, Antoine Nduwayo, „terroristische Banden“ zu entwaffnen. Wie um das zu begründen, meldete am Wochenende der staatliche Rundfunk, 22 Menschen seien gestorben, als in Zentralburundi Soldaten auf die Insassen von drei Bussen an einem Armeekontrollpunkt das Feuer eröffnet hätten und einer der Busse daraufhin in eine Schlucht gestürzt sei.

Doch die jetzt bekanntgewordenen Opfer fielen keinen Kämpfen zum Opfer – es waren Massaker an unbewaffneten Zivilisten. Und Krueger hat möglicherweise nicht alles gesehen: Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR – das angab, von Kruegers Beobachtungen nichts zu wissen – sprach von weiteren Massakern in zwei anderen Dörfern.

Krueger erhielt nach eigenen Angaben wegen seiner öffentlichen Auftritte mehrfach Todesdrohungen von Tutsi-Extremisten. So hatte ihn die Zeitung La Nation als „Diplomat, der erledigt werden muß“, bezeichnet. Die Nation wird von Ex-Präsident Jean-Baptiste Bagaza kontrolliert, der Burundi zwischen 1976 und 1987 als Militärdiktator regierte und nun eine „Nationale Genesungspartei“ anführt, die eine ethnische Aufteilung Burundis propagiert. D.J.

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