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Nachschlag

■ Seelen-Peep-Show mit „Popette“ Susanne Betancor im BKA

Pech gehabt? Haben Sie beispielsweise gerade Ihre Exgeliebte getroffen, sind anschließend zur Abkühlung des Gemüts ins Spreewaldbad gegangen, dort allerdings mit einem nach Luft schnappenden Dauertaucher so zusammengestoßen, daß Sie die dicke Lippe noch spürten, als Sie danach beim Schwarzfahren erwischt wurden? Dann sollten Sie unbedingt in das Konzert von Susanne Betancor gehen, um wieder auf die Beine zu kommen. „Privat ist modern“ heißt das erste Soloprogramm der selbsternannten „Popette“. Der Titel verhehlt nicht, was aus dem früheren Slogan der Frauenbewegung, „Das Private ist politisch“, geworden ist. Heute werden die individuellen Wunden geleckt, und da gibt Susanne Betancor Nachhilfe in Sachen Optimismus.

Damit das Lachen wieder gelernt werden kann, kommt sie lachend auf die Bühne. Und so bleibt es. Sie besingt die Gemeinheiten, die einem den Alltag zur Hölle machen können, als da insbesondere wären: Hinterhöfe, Tauben, Bars der einsamen Seelen, Eifersucht, Herzschmerz und mit „Dönerkebab im Winter in einen Bus einsteigen zu wollen“. Die Sängerin, die früher bei College of Hearts war, reimt zusammen, was nicht zusammengehen will. Zum Charme paßt Alarm, zu attraktiv paßt schief, zum Klee der Schnee und ich vergeh. Sicher schläft Susanne Betancor mit einem rückläufigen Wörterbuch unterm Kopfkissen, ist es doch die Geheimwaffe aller DichterInnen. Ihr Wortwitz macht vor nichts halt. „Prince ist ein Popstar und heißt jetzt Zymbal, was ein Teil des Schlagzeugs von Rudi Neuwirth ist, und so fügt sich eins ins andere.“ Das reimt sich zwar nicht, dafür aber: „Ich sitz' in der U-Bahn und guck' mir meine Schuh an.“

Susanne Betancor träumt davon, eine neue Musikrichtung mit deutschen Texten zu kreieren. Der Experimentiercharakter des Unterfangens gibt ihm seine Stärke. Denn mit ihrer klassischen Jazzcombo überschreitet sie des öfteren die Kafeehausatmosphäre. Wenn sie zur E-Gitarre greift, die sie im Gegensatz zu Trompete und Posaune nicht beherrscht, erinnert sie an den Wagemut der Punkmusik, wenn sie sich in eine Kommunikation mit ihren Musikern einläßt, kommt von deren Seite etwas Grönemeyerartiges heraus, wenn sie „weil ich ein Brö-ö-ötchen bin“, singt, verehrt sie natürlich den deutschen Schlager. Weil es das nicht gewesen sein kann, muß etwas anderes her. „Nicht Chanson, sondern Kammer-Pop“, sagt sie und meint damit die gesungene Überwindung des Weltschmerzes. Eben nicht den Humor verlieren, damit man dem Privaten wieder politisch ins Auge sehen kann! Spricht man mit der Popette, merkt man, daß das Leben doch nicht nur Lachen ist, und der Feminismus liegt ihr durchaus am Herzen, aber sie sieht, daß man mittlerweile blöd dasteht, wenn man das so sagt. Waltraud Schwab

Susanne Betancor, im April Mi.–Sa., 20 Uhr, BKA, Mehringdamm 32–34, Kreuzberg

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