: Crash Test Dummies
■ Endwitze von und für kindische Erwachsene: "Dumb & Dumber" mit Jim Carrey
Wieder sind die Babyboomer nur Verlierer und keine Nichtsnutze: „Dumb & Dumber“ handelt davon, wie junge Menschen mehr oder weniger lustig aus jedem Job fliegen. Dabei wollen sich Harry und Lloyd doch bloß in dem amerikanischen Nest Providence, Rhode Island, gemeinsam eine Existenz mit ihrem Angelköder- Shop „I have Worms“ aufbauen.
Natürlich folgt man nicht allein der Ökonomie, sondern lebt auch seine Ticks aus: Harry Dunne (Jeff Daniels) hat ein Vermögen dafür ausgegeben, seinen Kleinlaster in ein hirtenhundartiges Gebilde mit Plüsch-Schlappohren – einschließlich Zungenteppich–, zu verwandeln. Lloyd Christmas (Jim Carrey) wird am ersten Tag seines Chauffeur-Jobs in eine Art Kriminalstory verwickelt, als er versehentlich an den Koffer einer Dame gerät, die er zum Flughafen kutschiert. Der Inhalt ist für Erpresser bestimmt, eine ordentliche Summe Lösegeld für ihren Mann.
Nichtsahnend verliebt er sich in sie und jammert so lange, bis sein Kumpel einwilligt, ihr zu folgen. Mit nur 20 Dollar Reisegeld, die sie einem blinden Jungen für einen toten Papagei abgenommen haben, fahren sie gemeinsam im Hunde- Wagen 2.000 Meilen ostwärts an den Rocky Mountain Ski Resort nach Aspen, Colorado.
Auf dem Umweg über Beavis und Butthead
Das „ultimative Duo der 90er Jahre“ ist normal kaputt. Dabei schlägt Jeff Daniels, noch ein Nobody im Comedygeschäft, die Maske vom vergangenen Jahr Jim Carrey um Längen: Er sieht aus wie eine Mischung aus dicklichem Otto, Mike Krüger und Thomas Gottschalk mit ausgekämmter Dauerwelle. Carrey tut sich dagegen schwer, sein Äußeres entsprechend zu entstellen. Allein ein Pisspott-Haarschnitt, künstlich abstehende Ohren und ein ausgeschwärzter Vorderzahn machen noch kein Blödelface. Als lebende Cartoon- und Comicfigur hat er es schwer, gleichberechtigt im Duo zu sein, das an die Tradition von Jerry Lewis & Dean Martin anknüpfen soll, wenn auch über den Umweg über Waynes World und Beavis & Butthead gehen muß.
Der Humor des Films hat etwas erstaunlich Deutsches. Der amerikanische Slapstick zeichnet sich sonst durch Offenheit, Selbstironie und Abstraktion aus, ob in den Stand-Up-Nummern der Marx Bros. oder den Zoten von Mel Brooks. Hier ist es mehr die Art, in der Witze mit der Faust auf dem Tisch festgeklopft werden – wie wenn man im Splatterfilm „Nägel mit Köpfen“ macht. Der einzige Unterschied ist, daß sie trotzdem den Nagel nicht auf den Kopf treffen. Es sind Endwitze von und für kindische Erwachsene. Der Film ist in seiner ausgelassenen Debilität ernst, sowohl ernsthaft schlecht als auch immer ernst gemeint. So entwickelt sich in Dumb & Dumber bei aller Heiterkeit gleichzeitig eine zielstrebige Aggressivität, mit der einfach auf das Recht des Erwachsenen gepocht wird, Kind zu bleiben. Harry schmeißt denn auch stocknüchtern Llyods Angebetete Mary Swanson die Treppe herunter, um als Erster oben zu sein.
Wenn „Ace Ventura“ für Kids und „Die Maske“ für Teenies war, dann ist „Dumb & Dumber“ für alle anderen Altersgruppen vom jungen Erwachsenen an aufwärts. Die Tradition von White-Trash- Comedy wird überspitzt und überdreht in die „next generation“ geholt, und dort als Slapstick-Komödie in Realanimation installiert. Carrey zumindest darf seinen schauspielerischen Leidenschaften nachgehen, Tierstimmen imitieren und mit den Augen rollen.
Ein bißchen agieren Daniels & Carrey, als hätten sie die Peinlichkeiten von Brady Bunch bis American Graffiti parodieren wollen. Auch eine Art 70s-Revival: Begleitet von der Musik der Crash-Test- Dummies, Dee-Lite & Echobelly eröffnen sie mit diesem kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sich derzeit Pop und Moden einigen können, das Feld für Loser jeden Alters. Bei einem Einspielergebnis von über 100 Millionen Dollar innerhalb von wenigen Wochen sind das für den zuletzt zweit-erfolgreichsten Film nach „Forrest Gump“ schon sehr viele. Bettina Allamoda
„Dumb and Dumber“, Regie: Peter Farelli
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