: „Irgendwie ein bißchen Sozialismus“
■ Länderfusion: Diepgen koaliert mit SPD und Grünen / PDS „toleriert“ Landowsky
Wenn es gestern nach dem Applaus der Abgeordneten gegangen wäre, würde in Berlin eine rot- grüne Koalition regieren, bei der Eberhard Diepgen (CDU) den Regierenden Bürgermeister stellt. Denn bei der Frage zur Vereinigung mit Brandenburg waren sich – zumindest nach dem Applaus – SPD und Grüne mit Diepgen am häufigsten einig. Eine von Fraktionschef Klaus Landowsky in die „Opposition“ geführte CDU würde wohl – ebenfalls am Applaus gemessen – von der PDS „toleriert“ werden.
Diepgen wertete es als eine „ohne Frage sehr große Hürde“, daß mindestens ein Viertel aller Wahlberechtigten der Ländervereinigung bei der Volksabstimmung im Mai kommenden Jahres zustimmen müssen – andernfalls scheitert die Fusion. Beim Thema Braunkohle reagierte der Regierende auf die Kritik der Grünen. Die Kohle, sagte Diepgen, soll eine Chance erhalten, wenn die Preise stimmen und „die ökologischen Rahmenbedingungen es zulassen“. Im Gegensatz zu Landowsky verteidigt Diepgen einen Parlamentssitz Potsdam.
Den Angriff auf die PDS hatten mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Wieland ausgerechnet die Bündnisgrünen übernommen. Weil PDS-Landesvorsitzende Petra Pau den Staatsvertrag als „Ermächtigungsgesetz“ bezeichnet hatte, warf er der Oppositionspartei vor, „von Demokratie nichts begriffen“ zu haben. Innerhalb von drei Jahren werde es bei den Fragen Berliner Verfassung, Länderfusion und gemeinsame Verfassung drei Volksabstimmungen geben. Wieland machte Diepgen ein Kompliment, weil der Vertrag „ein Meisterstück des Kompromisses“ sei. Die Braunkohle, aber auch die Festlegung der Schulorganisation hätte allerdings nicht in einen solchen Vertrag gehört. Die Regelung der Finanzfragen sei tragbar. Klaus Böger, SPD-Fraktionschef, sprach von einem Aufbruchsignal für die Region, von einem gestärkten Wettbewerb und der Chance auf mehr Arbeitsplätze.
CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky zeigte sich gestern zurückhaltender als sonst. So lobte er die Fortschritte auf dem Weg zur Fusion, weil Berlin zum Trendsetter des Länderföderalismus werde. Er sprach bei der Volksabstimmung nicht mehr von einer „Notbremse“ und forderte auch nicht mehr, daß mindestens die Hälfte aller Wahlberechtigten einer Fusion zustimmen müsse. Er kritisierte aber weiterhin, daß künftig nicht mehr soviel Schulden gemacht werden dürfen wie derzeit und die Zahl der öffentlich Bediensteten in einem gemeinsamen Bundesland auf 159.000 heruntergefahren wird.
Die Nähe zwischen Grünen und CDU-Parteichef Diepgen entging auch Landowsky nicht. Für Rot- Schwarz sei es aber noch zu früh. Die Grünen wollten doch nur im „Roten Meer“ des Stolpe-Landes versinken, weil dort ja „irgendwie doch ein bißchen Sozialismus“ sei. Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen