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Spanien verdurstet

Bewässerungsprogramme haben der Landwirtschft einen Boom beschert / Jetzt versiegen die Flüsse auf der Iberischen Halbinsel  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

In vier Marschkolonnen sind sie am Anfang der Woche in Almería, Córdoba, Huelva und Cadiz losgezogen. Fünfzehntausend Bauern kommen heute in Sevilla an, der andalusischen Hauptstadt. Mit ihrem „Marsch für das Wasser“ wollen die Landwirte aus Südspanien auf ihre wirtschaftliche Notlage aufmerksam machen, verursacht durch die seit Jahren anhaltende Trockenheit.

Seit 1991 sind die Ernten um siebzig Prozent zurückgegangen. Der Schaden wird von der „Vereinigung der Landwirte“ auf umgerechnet 2,5 Milliarden Mark beziffert. Dreißig Prozent Lohneinbußen sind die Folge. Bewässerungsverbote in einzelnen Regionen führen dazu, daß die betroffenen Landwirte mit sechstausend Mark im Jahr auskommen müssen. Investitionen von elf Milliarden Mark wären nötig, um der anhaltenden Trockenheit entgegenzuwirken. Die Landwirtschaft beschäftigt fünfzehn Prozent der Bevölkerung im armen Süden Spaniens. Der Wassermangel setzt dem Aufwärtstrend der spanischen Landwirtschaft ein Ende. Noch Mitte der achtziger Jahre war in der Region von Almería, einer der trockensten der Iberischen Halbinsel, eine regelrechte Goldgräberstimmung ausgebrochen. Riesige Flächen wurden durch Bewässerung und mit Folienzelten landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Die Produkte fanden auf den nordeuropäischen Märkten reißenden Absatz.

Nachts wird in der Stadt der Hahn zugedreht

Der Preis für den schnellen Reichtum ist hoch. Der Grundwasserspiegel sinkt, das Meerwasser dringt ein, der Boden versalzt. Die Folgen für die Umwelt sind kaum abschätzbar. Auch die Bevölkerung der Städte leidet unter der extremen Wasserknappheit. Am stärksten betroffen ist die an den Atlantik grenzende Region von Cádiz. Die Reservoirs sind nur noch zu 4,51 Prozent gefüllt. Fünfzehn Gemeinden leben schon seit drei Jahren mit den neunstündigen allnächtlichen Wasserabstellungen, darunter die zwei wichtigsten Städte, die Hauptstadt Cádiz und Jerez de la Frontera.

In Granada, Jaen und Sevilla sieht es nicht viel besser aus. Selbst im nordspanischen Baskenland, einst für sein regnerisches Klima bekannt, kommt es Sommer für Sommer zu Rationierungen.

Das Ministerium für öffentliche Arbeiten und Transport und Umweltschutz schätzt den gesamten Wasservorrat auf 114 Milliarden Kubikmeter jährlich, davon sind achtzig Prozent Oberflächenwasser und zwanzig Prozent Grundwasser. Siebenundvierzig Prozent davon werden genutzt. Durch einen ständig steigenden Verbrauch entsteht ein jährliches Defizit von 2,9 Milliarden Kubikmeter. Spanien hat damit nach den USA den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch. Um den Bedarf zu decken, sind über tausend Stauseen errichtet worden. Die künstlichen Reservoirs bilden das Kernstück des Systems zur Wasserversorgung. Über riesige künstliche Flußbetten wird das Wasser im Lande verteilt.

Der „Nationale Wasserplan“ sieht die Erschließung von zusätzlich 250.000 Hektar für die Bewässerungslandwirtschaft vor. Zu diesem Zweck sollen weitere zweihundertfünfzig Staudämme errichtet werden. Die jährlichen Investitionen von 2,2 Milliarden Mark innerhalb der nächsten zwanzig Jahre sollen aus EU-Töpfen fließen. Im Norden des Landes setzen sich die Einwohner gegen die geplante Überschwemmung von Dörfern und Tälern zur Wehr. Unterstützt von Umweltschutzverbänden, sehen sie die Lösung im Wassersparen. Im letzten Sommer kam es zum erstenmal zum „Krieg ums Wasser“. Der Fluß Tajo fließt mitten durch die Region Castilla de la Mancha. Sie ist eine der wasserreichsten. Doch selbst hier sind die Reserven auf achtzehn Prozent des einstigen Volumens zusammengeschrumpft. Wo das Wasser hinfließt, fließt der Reichtum hin, lautet ein populäres Argument der Leute am Tajo. Erst nach langen Auseinandersetzungen gelang es deshalb der Regierung, die Pipelines in Richtung der reichen Agrarregion Murcia zu öffnen. Die Castilla de la Mancha gehört mit ihrer Trockenlandwirtschaft zum armen Teil Spaniens, die Landwirte in Murcia dagegen haben sich dank der Bewässerung einen ansehnlichen Lebensstandard erwirtschaftet. Es handelt sich längst nicht mehr nur um ein nationales Problem. Am Montag dieser Woche beschwerte sich Portugals Präsident Mario Soares über den „Nationalen Wasserplan“ aus Madrid. Wenn die Spanier damit ernst machen, werden die großen Flüsse nur noch zehn Prozent der Wassermenge führen. Weil Kläranlagen fehlen, verwandeln sie sich so in unbrauchbare Kloaken. Portugal, dessen Hauptflüsse Tajo und Duero alle in Spanien entspringen, wäre vom Wasser abgeschnitten, befürchtet Soares.

Gentechniker züchten Salzwasserpflanzen

Doch ein Umdenken im zuständigen Madrider Ministerium scheint nicht in Sicht. Statt die Landwirtschaft auf weniger wasserintensive Kulturen umzustellen, geht die Forschung in eine ganz andere Richtung. In Valencia versucht sich Professor Ramón Serrano und sein Biologenteam an der Genmanipulation. Das Ziel ist die Isolierung des Genes, das die pflanzlichen Zellen vor dem Eindringen von Kochsalz schützt. Bei Hefebakterien ist dies bereits gelungen. Mit Mitteln aus der EU versucht man jetzt, Nutzpflanzen zu manipulieren, um sie dann mit Meerwasser gießen zu können. Eine Erfindung, die – sollte sie gelingen – in vielen Ländern zum Einsatz kommen könnte. Italien, Griechenland, die Maghrebstaaten und Kalifornien haben bereits ihr Interesse bekundet.

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