: „Vertrauen schwindet mit jedem Anschlag“
■ Türkische MigrantInnen-Gruppen fordern mehr Schutz für Geschäfte
Bonn (taz) – Geschäfte und Einrichtungen von MigrantInnen aus der Türkei müssen besser geschützt werden. Diese Forderung erhoben die Vorsitzenden dreier Organisationen von MigrantInnen aus der Türkei gestern in Bonn.
Das Nachlassen der Anschläge in den vergangenen Tagen sei kein Ergebnis gelungener Schutzvorkehrungen, sondern ein taktischer Schritt, erklärte Ahmed Iyidirli von der Föderation der Volksvereine türkischer Sozialdemokraten. Verschärfte Sicherheitsmaßnahmen von seiten der Polizei seien dringend erforderlich, um das Vertrauen der türkischen Bevölkerung in den deutschen Staat zu erhalten. Unterstützt wurde er darin von Murat Cakir, dem Vorsitzenden der Föderation der Immigrantenvereine aus der Türkei: „Dieses Vertrauen schwindet mit jedem neuen Anschlag.“
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, würden präventive Vorkehrungen allein jedoch nicht ausreichen, betonte Cakir, auch die Suche nach den Tätern müsse mit mehr Sorgfalt vorangetrieben werden. Die Opfer der Anschläge auf Geschäfte, Reisebüros und andere Einrichtungen müßten das Gefühl bekommen, der deutsche Staat kümmere sich um sie, forderte Iyidirli und fügte süffisant hinzu, die deutsche Polizei sei in puncto Technik und Erfahrung nicht „die schlechteste“.
Böse Absicht wollte er den deutschen Behörden nicht unterstellen, aber es bestehe die Gefahr, daß die Anschläge benutzt werden könnten, um das „Feuer der Fremdenfeindlichkeit“ in der deutschen Bevölkerung zu schüren. Murat Cakir ging noch einen Schritt weiter. Er befürchtete eine „politische Hetze gegen kriminelle Ausländer“, die im Wahlkampf Stimmen bringen soll. Erste Erfahrungen damit habe man in Nordrhein- Westfalen gemacht. Nachdem dort die CDU das Thema Abschiebung von Kurden für den Wahlkampf entdeckt hatte, war Landesinnenminister Herbert Schnoor (SPD) plötzlich bereit gewesen, den generellen Abschiebestopp aufzuheben. Für Cakir ist das jedoch kein geeignetes Mittel, der Gewalt in Deutschland zu begegnen.
Wer hinter dieser Gewalt steckt, spielt für ihn eine untergeordnete Rolle: „Ob die PKK oder andere Organisationen dafür verantwortlich sind, ist uns egal. Gewalt ist Gewalt, und dagegen wehren wir uns.“ In diesem Zusammenhang appellierte er auch an seine Landsleute, sich nicht provozieren zu lassen. Die zunehmende Spaltung der Bevölkerung in der Türkei dürfe in Deutschland nicht fortgeführt werden. Zustimmung erntete Cakir bei Ali Riza Gülcicek. Der Vorsitzende der Föderation der Vereinigung der Alewiten-Gemeinden in Europa (AABF) richtete sich gegen jegliche Art von Fundamentalismus. Ahmet Iyidirli zeigte sich in dieser Hinsicht optimistisch: „Wir lassen uns nicht nach Religion oder ethnischer Herkunft trennen!“
Gemeinsam wollen die drei Organisationen in Zukunft für ein friedliches Miteinander von Türken, Kurden, Alewiten und Sunniten in Deutschland werben. Ab Mai sollen zahlreiche Veranstaltungen in verschiedenen deutschen Städten zur Beruhigung der Gemüter und zur gegenseitigen Verständigung beitragen. Besonders wichtig sei es jetzt, daß sich die in Deutschland lebenden MigrantInnen aus der Türkei nicht hineinziehen lassen in den Strudel der Gewalt, unterstrich Murat Cakir. Kirstin Hausen
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