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Oma Meysel schafft sie alle

■ Polizeiruf 110: „1A Landeier“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD)

Klarer Fall, die Alte tickt nicht mehr richtig. „Ratsch im Kappes“, denken sich die beiden Jung-Sheriffs, als Oma Kampnagel auf der Wache im Bergischen Land erscheint und erzählt, daß es jemand auf sie und ihr Hundchen abgesehen habe. Doch ein paar Tage drauf ist die Oma schon wieder da. Und diesmal knallt sie den Ordnungshütern obendrein auch noch Garibaldi auf den Tisch. Garibaldi heißt ihre Promenadenmischung oder besser gesagt: Sie hieß. Nu isse tot. Vergiftet, sagt die Alte. Und sie selbst, so Oma, solle auch ermordet werden.

Da Polizist Siggi Möller in der Ausbildung mal was von „Polizei, dein Freund und Helfer“ gehört hat und die Dame in ihrem übergroßen Schmerz nicht einfach so wegschicken will, nimmt er sich Garibaldis an und verspricht, die Tage auch mal bei ihr vorbeizuschauen. „Armer Irrer“, denkt sich sein Kollege Küppers und greift zum Handy. Doch ein paar Tage drauf fällt im Kampnagelschen Umfeld eine veritable (Menschen-)Leiche an. Und es soll nicht die letzte bleiben.

Irgendwie scheint es verdiente Volksschauspieler im vorgerückten Alter unwiderstehlich zum Verbrechen zu ziehen. Nach all den Gutmensch-Rollen einmal in einem Krimi mitspielen! Und beim WDR hat man mit diesem Erfüllen von Herzenswünschen ja inzwischen so seine Erfahrungen. Willy Millowitsch ließ man seinerzeit zu seinem 80. den Kommissar a.D. Klefisch auf den Leib schreiben und wird ihn seitdem nicht mehr los, weil Willy immer noch einen Fall im Sitzen lösen will.

Mit dem ersten WDR-Beitrag zur „Polizeiruf 110“-Reihe nun das Präsent zu Inge Meysels 85stem Geburtstag am 30. Mai. Doch allen Befürchtungen zum Trotz sind diese „Landeier“ ein überaus unterhaltsames Stück Fernsehen geworden. Und das in erster Linie, weil die Provinzposse mit tödlichem Ausgang im Gegensatz zu den Klefischen nicht so gänzlich ehrfürchtelnd auf den Star zugeschnitten ist.

Das Ganze würde auch ohne die Meysel funktionieren. Stimmiges Lokalkolorit mit Rathausfilz und Schützenfest, pfiffige Dialoge (Buch: Dirk Salomon, Thomas Wesskamp), eine Regie (Ulrich Stark), die viel Gespür für unspektakuläre Situationskomik hat, und gute Darsteller. Martin Lindow als verständnisvoller Jung-Polizist und Oliver Stritzel als Schmalspur- Casanova mit Goldkettchen und permanenter Handy-Hotline zu seinen diversen Tussis sind einfach wunderbar. Und selbst Garibaldi leistet nach seinem Ableben gute Dienste als Running Gag. Inge Meysel qualmt wie ein Schlot und pfeift sich doppelte Cognacs ein, als hätte sie in ihrem Leben nichts anderes getan. Sicherlich reißt einen das Auf und Ab im Bergischen Land in puncto Spannung nicht gerade vom Hocker, aber gemessen an den vielen mißratenen Versuchen in diesem Genre, sind diese „Landeier“ ein 1-A-Schmunzelkrimi. Und Inge Meysel? Ist sichtlich guter Dinge, beweist viel Mut zu Falte und zu Unterrock. Nur als ihr Regisseur Stark vorschlug, am Bett ein Wasserglas nebst Gebiß zu plazieren, mußte sie passen: Frau Meysel hat ihre Zähne nämlich noch alle beisammen. Reinhard Lüke

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