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Knackis kämpfen gegen Kakerlaken

■ Kritik am überstürzten Umzug der Haftanstalt Hakenfelde in Reinickendorfer Behelfsknast / FDP und Grüne: schließen

Die 208 Gefangenen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Hakenfelde, die seit dem ersten April in einem provisorischen Knast in Reinickendorf untergebracht sind, müssen nicht nur in runtergekommenen Zimmern hausen. In den Gebäuden wimmelt es auch von Kakerlaken. Angesichts dieser „katastrophalen hygienischen Zustände“ wirft der kulturpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Albert Eckert, der Senatsverwaltung für Justiz eine „dilettantische Vorbereitung“ des Umzugs vor.

Ganze zwei Wochen waren Zeit, um die behelfsmäßige Unterkunft im Kiefheider Weg herzurichten. Die seit langem fällige Sanierung der offenen Vollzugsanstalt Hakenfelde hatte die Suche nach einem Ausweichquartier nötig gemacht. Auch der Leiter der JVA, Christian Burian, kritisiert die zu kurze Umzugszeit. Nach dem Motto „Friß, Vogel, oder stirb“ habe man die „irrsinnige Planung“ akzeptieren müssen, sagte Burian zur taz.

Zu dem „ekelerregenden Problem“ der Ungeziefer kommt der schlechte bauliche Zustand des Behelfsquartiers hinzu. Von den zweihundert Räumen wurden bisher nur fünfzehn renoviert. Etwa die Hälfte aber, so Anstaltsleiter Burian, sei „stark renovierungsbedürftig“. Am Donnerstag habe man eine Malerbrigade beauftragt, um mit einer „systematischen Renovierung“ zu beginnen.

Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) begründete bei der Beantwortung einer Anfrage im Abgeordnetenhaus die kurze Vorbereitungszeit für den Umzug damit, daß der bereits für Februar geplante Baubeginn in Hakenfelde nicht weiter hinausgezögert werden konnte. Um die Termine für den Rohbau einzuhalten, sei man gezwungen gewesen, im „Hauruck-Verfahren“ umzuziehen.

Die Pressesprecherin der Justizverwaltung, Uta Fölster, räumt zwar „Unannehmlichkeiten“ und „zahlreiche Mängel im hygienischen Bereich“ am Ersatzstandort ein. Diese hätten bei früheren Besichtigungen aber nicht erkannt werden können, so Fölster. Denn noch bis Mitte März waren in der von einer privaten Betreibergesellschaft gemieteten Unterkunft Asylbewerber untergebracht. Die Behauptung der FDP-Fraktion, am Kiefheider Weg herrschten „menschenunwürdige Zustände“, wies Fölster zurück. Mit der Durchführung mehrerer „Entwesungen“ habe man dafür gesorgt, daß das Ungezieferproblem in den nächsten Tagen beseitigt sei.

Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP fordern unterdessen eine sofortige Haftunterbrechung für alle Insassen bis zur Fertigstellung der Unterkünfte. Eine Forderung, die für Burian nichts weiter als „Schaumschlägerei“ ist. Von den derzeit etwa 150 Freigängern würde maximal ein Drittel die Unterbrechung befürworten. Auch für die Justizsenatorin kommt eine Haftunterbrechung „bestimmt nicht in Betracht“, so ihre Pressesprecherin. Barbara Bollwahn

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