: Was Vox wollte
■ Das "Fernsehen aus Berlin", Zusammenschluß kleinerer TV-Produzenten, steht vor der bundesweiten Ausstrahlung
„Andere Wirklichkeiten“ will uns der kleine Sender zeigen. Da werden Eisenbahnfreaks bedient und Globetrotter, Cineasten und Talkshowfans, die etwas anderes sehen wollen als die üblichen TV- Sofagäste. Auch mit den Ufo-Bildern des „ersten deutschen Esoterik-Magazins“ sind die Ideen von „Fernsehen aus Berlin“ (FAB) längst nicht erschöpft, als nächstes will man sich vom Regionalsender zum anspruchsvollen „klassischen Vollprogramm“ mausern.
Seit Mitte Februar die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten FAB zur bundesweiten Zulassung empfohlen hat, wird in der Sendezentrale am Bahnhof Zoo eifrig an der Programmerweiterung gearbeitet. Noch im Frühjahr oder Sommer, so heißt es dort, könne man mit sieben Stunden täglich auf Sendung gehen. Derzeit produziert FAB fünf Stunden Programm, die in Berlin-Brandenburg über Antenne und im Kabel zu empfangen sind.
„Ein überfälliges Zeichen“, nennt Geschäftsführer Hans-Gerhard Roth die Empfehlung der Medienwächter zugunsten seines mittelständischen Unternehmens: dafür, daß Kirch und Bertelsmann, Murdoch und CLT den Markt der Spartensender nicht allein unter sich aufteilen dürfen. Ingeborg Ludwig, Justiziarin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), bestätigt: „Das war auch eine inhaltliche Entscheidung.“
Run auf rare Kabelplätze
Allerdings: Die Kabelnetze sind überall randvoll, die Chance, als Berliner Sender in anderen Bundesländern noch einen Platz zu ergattern, gering. Zwar fordern Medienanstalten und die privaten Fernsehveranstalter unisono, die Telekom solle endlich das Kabelnetz im UHF-–Bereich ausbauen (geschätzte Kosten: rund 500 Millionen Mark), doch der Noch-Monopolist sagt einfach nein und will sich diese Frequenzen für das digitale Fernsehen aufheben.
Noch ist die bundesweite Lizenz nicht erteilt, erst muß FAB noch einen Satellitenplatz vorweisen, damit das Programm wenigstens theoretisch die Chance hat, überhaupt in anderen Bundesländern ins Kabelnetz eingespeist zu werden. Und mit den Satellitenbetreibern, so Geschäftsführer Roth, ist man noch am Verhandeln, die Preise sind jedenfalls für sein kleines Unternehmen recht happig.
„Spiegel“-Chef Aust hält 15 Prozent
Kein Problem hat FAB dagegen bei den Medienkontrolleuren mit seiner Gesellschafterstruktur oder dem angepeilten Programm. 39 kleine und mittelständische Fernsehproduzenten haben sich hier zusammengetan, keiner hält mehr als 15 Prozent und alle liefern Programmteile zu. Prominentester im Bunde ist Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust, der sich von seiner 15-Prozent-Beteiligung bei FAB attraktive Distributionswege für sein Spiegel-TV erhoffen dürfte – und zukünftig wertvolle Sendeplätze in der Hauptstadt. Auch die Hamburger Firma MME („Me, Myself and Eye“) gehört zu den Gesellschaftern, ein schnell wachsendes Zuliefererhaus, das für RTL 2 zum Beispiel „Bravo-TV“ produziert und auch am neuen Musiksenderkanal VH-1 beteiligt ist. Zahlreiche kleine Produktionsfirmen kommen hinzu, die sonst für große Sender Programme herstellen. Bei FAB können sie produzieren, was und wie sie wollen.
Fernsehen, „wie Vox einmal sein wollte“, hat FAB-Geschäftsführer Roth im Blick, kritisch soll es sein, aktuell, jung und frisch. „Wir wollen zeigen, daß die kleinen, belächelten Fernsehmacher ein gutes Programm auf die Beine stellen können“, sagt er. „Alle klassischen Elemente eines Vollprogramms“ will er in das bundesweite Programm aufnehmen. „Unser Konzept bleibt regional, unsere Produktion dezentral.“ Dadurch könne FAB inhaltlich fexibel bleiben, das Programm „nah am Zeitgeschehen“. Zudem erlaube die kleinteilige Organisation inhaltliche Experimente im Fernsehen: „Das ermöglicht uns viele anspruchsvolle Sachen, bei denen andere sagen: Das klappt doch nie!“
Irgendwann einmal, so schwebt es Roth vor, könne FAB den bundesweiten Mantel für ein Netz kleiner Regionalfernsehanbieter liefern.
Auch bei den Kosten will der Berliner Sender alles anders machen. Man hat schließlich gelernt, „wie man mit wenig Geld Fernsehen machen kann“. Leiden doch die Werbeeinnahmen bislang darunter, daß es für kleine regionale Sender keine verläßlichen Zahlen über Reichweiten und Quoten gibt. Im Verbund mit anderen (IA, SFB, ORB, n-tv) und mit Unterstützung des Senats versucht FAB jetzt, ein regionales Erhebungspanel zu etablieren.
Daß FAB nicht nur deutlich mehr Werbung, sondern auch Kapital für die Expansion braucht, das weiß auch Hans-Gerhard Roth. „FAB hat nicht mal einen Dispo“, gibt er offen zu. Banken, so seine Erfahrung, hätten meist keine Ahnung vom Medienmarkt, eine nennenswerte Mittelstandsförderung gebe es trotz aller Reden nicht.
In zwei Jahren keine Verluste mehr?
Trotzdem will Roth in zwei Jahren aus der Verlustzone sein. Eine Perspektive, über die man bei der MABB staunt. Dort sieht man auch Gefahren in der FAB-Expansion: Ein „großer Zampano“, so Ingeborg Ludwig, könne sich des „ökonomisch schwachbrüstigen“ FAB annehmen und mit der bundesweiten Lizenz etwas ganz anderes veranstalten als Qualitätsfernsehen. „Die Medienanstalten“, so kontert Roth, „würden gern duschen, ohne naß zu werden“. Vergäben sie die Lizenzen gemäß ihrem Auftrag, so müsse man eben ökonomische Risiken in Kauf nehmen. Für FAB bleibt das Programm wichtiger als die Probleme: „Wir haben zuerst einfach immer Fernsehen gemacht“, sagt Hans- Gerhard Roth, „jetzt kommen ganz andere Kosten auf uns zu, aber auch ganz neue Einnahmewege“. Lutz Meier
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