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Militante Linke durch Zerfall gekennzeichnet

■ Bekennerbrief übt Selbstkritik

Bonn (AFP) – In der linksextremen Szene ist offenbar ein neuer Streit um das Ziel militanter Aktionen entbrannt: In einem am Montag bei der Nachrichtenagentur AFP in Bonn eingegangenen Schreiben der „Gruppe Barbara Kistler“ hieß es, das bisherige Vorgehen der „Antiimperialistischen Zelle“ (AIZ) sei abzulehnen, das Projekt solle sich daher auflösen. Zur Begründung wurden in dem zweiseitigen Brief mehrere Anschläge der AIZ vom vergangenen Jahr unter anderem wegen „Unverhältnismäßigkeit der Mittel“ kritisiert. „Die Gefährdung Unbeteiligter muß in jedem Fall ausgeschlossen werden“, hieß es. Ansonsten würde jeglicher Versuch zerstört, militante Politik über einen kleinen Kreis hinaus zu vermitteln. Zudem bekannte sich die „Gruppe Barbara Kistler“ zu dem Anschlag auf die CDU-Kreisgeschäftsstelle in Siegburg im September 1994, für den die Bundesanwaltschaft im vergangenen Jahr die AIZ verantwortlich gemacht hatte. In dem Schreiben stellten die Verfasser fest, die Situation der Linken sei „durch Aufsplitterung und Zerfall gekennzeichnet“. Militant kämpfende Gruppen suchten nach neuen Wegen, die gesellschaftliche Isolation zu durchbrechen. In dem Text wurde daher vor einer „Der Zweck heiligt die Mittel“-Skrupellosigkeit bei Anschlägen gewarnt. Gezielte Angriffe auf Personen kämen nicht in Frage. Die Gruppe kritisierte insbesondere den Anschlag auf das Haus des früheren Entwicklungsstaatssekretärs Volkmar Köhler im Januar in Wolfsburg. Ziel müsse es vielmehr sein, „in die Gesellschaft hinein und raus aus dem Szene- Ghetto“ zu kommen. Die Basis könnten Gruppen wie Arbeitsloseninitiativen bilden. Die Verfasser: „Die AIZ erfüllt keins der Kriterien, an denen wir revolutionäre Gruppen messen.“

Die „Gruppe Barbara Kistler“ war erstmals im September 1994 in Erscheinung getreten. Der Name geht auf eine Schweizerin zurück, die „von der türkischen Armee in Kurdistan umgebracht“ wurde.

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