UNO berät Bakteriennahrung

■ Die irakische Führung plant angeblich die Herstellung von Biowaffen / UN-Inspekteure fahnden in Bagdad nach mehreren Tonnen Nährlösung für Bakterien / Die beschäftigen jetzt den UN-Sicherheitsrat

Berlin (taz) – 17 Tonnen Nährlösung für Bakterien könnten Auslöser dafür sein, das Tausende IrakerInnen weiter hungern und leiden müssen. Wenn diese Woche der UN-Sicherheitsrat über eine Lockerung der Sanktionen gegen den Irak berät, liegt ihm als Entscheidungsgrundlage ein Bericht von Rolf Ekeus vor. Darin bescheinigt der Leiter der UN-Kommission für die Zerstörung irakischer Massenvernichtungsmittel (UNSCOM) der irakischen Führung, beim Aufbau eines aufwendigen Überwachungssystems „voll kooperiert“ zu haben. Ausnahme: Ekeus fürchtet, in Bagdad werde weiterhin die Herstellung biologischer Waffen geplant. UN-Inspekteure stießen auf Dokumente, die belegen sollen, daß der Irak im Jahr 1988 fast 39 Tonnen der Nährlösungung einführte. Die Papiere enthalten zudem Hinweise auf Importe zwischen 1989 und 1990.

Nach irakischer Darstellung dient die Lösung medizinischen Zwecken. Ekeus weist jedoch darauf hin, daß für eine medizinische Verwendung bei der Größe des Irak maximal 370 Kilogramm benötigt würden; aus zehn Tonnen hingegen lasse sich eine Tonne biologischer Kampfstoff herstellen. Verdächtig sei zudem, daß die irakische Führung zwar Angaben über die Verwendung von 22 Tonnen der Lösung mache, aber Erklärungen über den Verbleib des Restes „variierten bis zur Widersprüchlichkeit.“

Der UNSCOM-Bericht enthält keine Angaben darüber, wer den Irakern die Nährlösung verkauft hat. Nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait 1990 waren Berichte aufgetaucht, wonach westliche Firmen in B-Waffen-Geschäfte mit dem Irak verwickelt sein sollten, darunter auch deutsche Unternehmen.

Die US-Regierung scheint vorab über den am Montag abend veröffentlichten Bericht informiert gewesen zu sein. US-Außenminister Warren Christopher warnte bereits letzte Woche vor einem irakischen B-Waffenprogramm, verzichtete jedoch auf Hinweise zur Informationsquelle. Für die US- Regierung ist die mögliche Existenz irakischer Massenvernichtungswaffen das stärkste Argument gegen eine Lockerung der Sanktionen. Frankreich, Rußland und China plädieren als ständige Sicherheitsratsmitglieder für eine Normalisierung des Verhältnisses zum Irak.

Eine uneingeschränkte Aufrechterhaltung des Embargos wird zudem schwerer zu begründen, je mehr Berichte über seine Folgen aus dem Land dringen. Hilfsorganisationen berichten von Tausenden Toten infolge von Unterernährung und Krankheiten. Grundnahrungsmittel und Medikamente sind zwar vom Embargo ausgenommen, infolge der Sanktionen hat der Irak jedoch kaum Geld, um sie zu kaufen. Die UNO hat der irakischen Führung mehrfach angeboten, unter internationaler Kontrolle begrenzte Mengen Öl zu verkaufen. Bisher hatte Irak das als Beschneidung seiner Hoheitsrechte abgelehnt.

In den letzten Wochen kursierte bei der UNO ein Resolutionsentwurf für eine Modifikation des Embargos. Die irakische Führung protestierte zunächst – um dann verhalten Zustimmung zu signalisieren. Als Voraussetzung für die Annahme der Resolution durch den Sicherheitsrat galt jedoch ein positiver Bericht von Ekeus. Thomas Dreger