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Mercedes rettet Daimler-Benz

■ Das Autogeschäft brummt wie nie, die Dienstleistungs- Sparte stagniert, der Rest des Konzerns schreibt Verluste

Stuttgart (rtr/AP/taz) – Die Daimler-Benz AG schreibt 1994 wieder einen soliden Gewinn von 895 Millionen Mark. Auf der Bilanzpressekonferenz in Stuttgart gab Konzernchef Edzard Reuter ebenso stolz einen Umsatz von weltweit 104,1 Milliarden Mark bekannt. Im Rezessionsjahr 1993 hatten die Schawben noch ein Minus von 3,3 Milliarden Mark produziert, das in der damaligen Bilanz allerdings durch die massive Auflösung von Rücklagen aus besseren Tagen auf offiziell plus 615 Millionen gehievt wurde.

Die Arbeiter des Konzerns haben von dem Umschwung bisher wenig. Ihre Zahl sank im letzten Jahr um 36.000 auf 330.500. Damit hat das Unternehmen in den letzten drei Jahren rund um den Globus 70.000 Stellen gestrichen. Nach Reuters Worten sind in diesem Jahr noch mal 13.000 fällig.

„Wie das Kaninchen auf die Schlange“ starre Daimler auf die Rüstung, sagt Tobias Pflüger, ein Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler-Benz. „Eine Offensive hin zu zukunftsträchtigen ökologischen Produkten fehlt im Konzern“, stellt Pflüger fest. Das koste auch Arbeitsplätze.

Zur Zeit allerdings geht das Konzept „Autos statt Zukunft“ prächtig auf: Der Goldesel ist Mercedes-Benz. Die Produktion ist 1994 um 23 Prozent bis an die Kapazitätsgrenzen hochgefahren worden, knapp 600.000 Nobelkarossen und 290.000 Lkw wurden verkauft. Damit schnellte auch das Ergebnis von minus 1,2 auf satte 1,85 Milliarden Mark plus.

Den warmen Regen hat die Bilanz bitter nötig. Sowohl die AEG mit 360 Millionen als auch die Rüstungs- und Luftfahrt-Tochter Deutsche Aerospace (Dasa) mit 440 Millionen Mark stehen immer noch tief in den roten Zahlen.

Als Deutschlands größtes Industriekonglomerat in den Achtzigern zusammengefügt wurde, sollten starke Synergieeffekte freigesetzt werden. Durch das Zusammenspiel der Rüstung von MTU samt MBB, den Flugzeugen von Dornier und der AEG wollten die Schwaben von Mercedes ein „Global player“ werden. Das hat nicht geklappt.

Hohe Löhne mindern angeblich den Gewinn

Einzig die neue Dienstleistungs- Abteilung Daimler-Benz Inter Service (Debis) ist mit Mobilfunk, Finanz- und EDV-Diensten ganz gut dabei und schaffte dieses Jahr bei einem Umsatz von 10,8 Milliarden Mark immerhin bescheidene 86 Millionen Gewinn. Da wird Edzard Reuter schon wieder übermütig: In den letzten Wochen munkelten Insider, daß Daimler seine 34 Prozent an der verlustbringenden französischen Informatik-Gruppe Cap Gemini Sogeti verkaufen will. Gestern sagte Reuter nur, man „prüfe die Auswirkungen verschiedener Optionen zur Mehrheitsbeteiligung“.

Die Gewinnprognose für das laufende Jahr hat der Konzernchef schon mal zurückgenommen. Ursprünglich hoffte Reuter, den Überschuß 1995 „noch mal um ein Drittel zu verbessern“. Nun sollen kommende Lohnerhöhungen – weshalb Unternehmen neuerdings höhere Löhne nicht mehr selbstverständlich einkalkulieren, blieb unklar – und die starke Mark diesem Ziel entgegenstehen.

Gegen die Währungsturbulenzen hat sich der Konzern allerdings bis Ende 1997 durch Devisen-Termingeschäfte weitgehend abgesichert. Derivate, das heißt Wetten auf Kursänderungen à la Nick Leeson, besaß Daimler-Benz am Jahresende immerhin in Höhe von 39 Milliarden Mark.

Bis zum Auslaufen der Derivate in zwei Jahren soll Jürgen Schrempp den Laden in Schuß bringen. Der bisherige Chef der Dasa wird auf der Hauptversammlung Ende Mai Edzard Reuter auf den Konzernthron folgen und gilt als einer der besten und härtesten Manager Deutschlands. Die Milliardenverluste der Dasa konnte allerdings auch er nicht verhindern. Der von ihm initiierte Aufkauf der niederländischen Fokker-Werke hat neben 500 Millionen Mark Kaufpreis bisher etwa 800 Millionen Mark Verlust eingebracht. Reiner Metzger

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