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Kurzfassung des Gedichts "Das wilde Fest" von Joseph M. March

Queenie war blond, ohne Alter so eine:

Schmiß zweimal pro Tag beim Vaudeville

die Beine.

Aschgrau die Augen,

Lippen feurige Brunst –

Ihr Gesicht kannte Höhen und Tiefen der Kunst.

Diese Schultern!

Diese Hüften!

Dieser Hintern, ach –

Ihre Beine bis oben hin machten

Männer schwach.

Doch war schwach das Geschlecht,

So geschah's ihnen recht;

Sie gab ihnen allen den Laufpaß:

Ihr Jahresschnitt lag bei sechzehn

und noch was.

Mochten Schlawiner sein

Oder ehrliche Schränker,

Schauspieler, Zocker und Wallstreetbanker –

Das focht sie nicht an;

War sie scharf auf den Mann,

Fragte sie nie, was einer so gelte:

Hauptsache gesund! Das allein zählte.

Tja,

Eins war klar:

Es gab nichts, was es nicht gab bei ihr.

Sie liebte es ruppig im Bett und verrucht;

In Sachen Sex ließ Queenie

nichts unversucht.

Sprich,

Unterm Strich:

Ein dolles Weib, eine Marke für sich.

Derzeit war ein Kerl namens Burrs ihr Mann;

Seine Nummer kam gleich nach ihrer dran.

Berühmt als Clown

Und dito als Faun:

Sein Konterfei klebte an jedem Zaun.

Seine Komik hatte höllisch Stil,

Er brauchte nicht zu hampeln –

Genügte schon sein Mienenspiel,

Und alles war am Trampeln.

Clowns aller Couleurs

Konnten lernen von Burrs!

So befand zumindest das Parkett.

Hinter der Bühne jedoch, weit weniger nett,

Sann mancher eiskalt

Auf nackte Gewalt:

Da war in unzweideutigen Worten zu hören,

Man würd ihm gern mal

die Visage polieren.

Gefragt, warum,

Stellten sie sich dumm:

Na, einfach so, zum Gaudium.

Verständlich, wenn mancher Herr das so sah,

Brachten Frauen ihm doch ihre Herzen dar,

Pochend

Auf dem Silbertablett:

Mochte er's fressen! Das machte er wett,

So wie er küßte und kräftig sie rannahm,

Daß Nachtruhe nicht in die Tüte kam.

Burrs war reichlich Manns;

O ja, der verstand's!

Drum im Auge der Damenwelt dieser Glanz.

Es stimmt, er war ein böser Bunke;

Ein Tier bei den Fraun, ein süßer Halunke!

Nur eine entlockte ihm mal das Jawort:

Das arme Ding!

Erlitt einen Spontanabort

Zwei Tage drauf. Und man kann tippen,

Das kam, weil Burrs sie mit ihrem Schuh

Dermaßen versohlte südlich der Rippen,

Bis sie dalag mit schmalen blauen Lippen.

Eine volle Woche war ihr Vetter

Hinter Burrs her mit seiner Beretta –

Doch der blieb verschwunden;

Die junge Braut

Hat verziehen und nicht zurückgeschaut.

Gäb mehr noch dergleichen,

Aber dies soll reichen –

Burrs ging über Leichen.

Studio,

Schlafzimmer,

Kochnische,

Bad –

Gemacht auf Liebesnest Marke Boulevard:

Stichwort Orient,

Mit viel Sentiment,

Und seit acht Wochen die Miete verpennt.

Rosa Kissen und blaue,

Eine Augenweide

In Goldbrokat, Spitze, reiner Seide

Auf einem Doppelbett mit Decke

Nach Motiven aus der

fernöstlichen Ecke:

Chinesische Drachen, die sich winden.

Fotos, mit Heftzwecken an der Wand,

Von lieben Kollegen im ganzen Land,

Ideal zum Eindruckschinden:

„Dein Allerwertester – Isidore“

„Auf ewig – Ethel Barrymore“

Ein Tablett in Chinalack,

nur dazu da,

Den Gong zu tragen

und den Bronzebuddha;

Orangene Kerzen

Im bronzenen Halter;

Eine kunstvolle Vase

Von einigem Alter,

Mit ein paar staubigen Kirschblütenzweigen.

Und Bücher?

Bücher?

Aber woher denn, kein Gedanke!

Genug zu tun mit dem richtigen Leben –

Da brauchte es nicht auch noch

Bücher zu geben.

Wohl wahr,

Auf dem Tisch lagen ein paar

Magazine mit zerfleddertem Einband:

Klatsch

Und Tratsch

Über die Freunde auf Bühne

und Leinwand.

Das Grammophon war ein profunder

Beweis für die Wirkung

von Queenies Künsten

Auf den Nachbarn zwei Stockwerke drunter:

Der hatte es ihr völlig arglos

Geliehen, „für ein Weilchen bloß“.

Samt Platten; man mocht's kaum glauben –

Alles kraft ihrer schönen blauen Augen!

Der Flügel stand da in seiner Ecke

Wie ein Sarg, der wartet,

mit offenem Deckel.

Das Bad war die schönste Visitenkarte:

Ein Boden, der vor Dreck starrte,

Und die Handtücher alle grau.

Tassen und Teller,

Gläser und Flaschen,

Reste von Küche und Keller

Ewig nicht abgewaschen –

Was mußte das für ein Gewühl sein

In der kleinen Welt unter dem Spülstein!

Auf dem Beckenrand gestrandet, gemeinsam,

Korkenzieher, Schere,

Frisierbürste und Kamm,

Und als Souvenir vom letzten Ausflug

Noch ein Schlafwagenhandtuch,

Lebhaft gemustert mit roten Stippen

Von Queenies makellosen Wangen und Lippen.

Hinter dem einen Hahn, völlig verludert,

Mit Talkum und Staub gleichermaßen gepudert,

Rostete eine Rasierklinge vor sich hin,

Neben der eine Kippe zu sehn war.

Und die Wanne?

Ach, lassen wir das Thema!

Vom Türknauf baumelten ein Paar

Getragener Strümpfe und ein BH –

Klein bißchen Anflug von Boudoir.

Dann das Schlafzimmer:

Machte nicht viel her;

Da stand ein alter Sekretär

Und ein Bett in weißem Einerlei,

Mit einem Kissen nur für zwei.

Ihre Wäschetruhen Pappkartons;

Ein einsamer Stuhl;

Die Wände weiß und kahl.

Ab und zu übernachteten Gäste da;

Queenie und Burrs, weil's luftiger war,

Schliefen vorn bei den Drachen.

Sonntag mittag,

Brütend heiß;

Queenie erwachte: zerschlagen,

in Schweiß,

Auf dem zerwühlten Bett ausgestreckt,

Nackt, ihre schlanken Arme gereckt.

Blickte zur Decke hoch,

Rüber zur Uhr,

Auf ihre Füße hinab,

Und verfluchte die Temperatur –

Oder nein, ein leises Gequengel

War's eigentlich nur.

Süß sah sie aus dabei: ein Engel!

Burrs war schon auf.

Unrasiert, mürrisch,

Umweht von Mundgeruch,

Im verknautschten rosa Schlafanzug,

Ränder unter den Augen,

Das Haar voller Kletten,

Saß er, mucksch wie ein Satyr in Ketten,

Mit einer Kanne Kaffee am Tisch.

Sein Blick war stumpf,

Die Stimmung dumpf:

Das Groschenblatt in seiner Hand,

Obwohl heute wieder reichlich bestückt

Mit Mord,

Vergewaltigung,

Selbstmord, geglückt,

Ließ ihn kalt.

Und von der Witzseite

Schien er auch nicht

entzückt.

Queenie hob leicht vom Kissen den Kopf,

Fuhr sich mit der Hand durch den Schopf

Und flötete: „Burrsie!“

Dem ging es durch Mark und Bein –

So schrill schon am Morgen,

mußte das sein?

Er saß gefährlich still, geduckt;

Nur um den Mund ein-, zweimal gezuckt:

Riß sich am Riemen, um nicht loszuschrein.

In ihre Augen trat ein gepeinigter Zug,

Der sich auf die Stimme übertrug:

„Burrsie!“

Drauf er rüde:

„Was denn?“

„Burrsie, Queenie ist ganz ganz müde!“

Er biß die Zähne zusammen,

Sein Blick wurde hitzig;

Einen Moment lang haderte er mit sich:

Was tun? Erwürgen das Mädel,

Oder besser die Flasche da

über den Schädel?

Die Frau konnte ratzen

Wie tot und begraben –

Wacht auf und ist müde,

In Dreiteufelsnamen!

Bewahrte die Fassung mit Mühe und Not,

Sah er auch gefährlich rot.

Er sagte kein Wort; aber Queenie:

„Burr-siiie“, greinte sie

Leicht miesepetrig,

„Krieg ich ein Täßchen?“

Ans Bett gebracht, versteht sich.

„Du faule Schlampe, du machst

mir Spaß!

Bist wohl die Prinzessin auf der Erbse,

oder was?

Eigenartig

Dräuendes Schweigen,

Am Himmel kein Ton die Geigen.

Sie stützte sich auf den Ellenbogen

Und musterte ihn, Augen schmalgezogen:

Ihr Mund jetzt hart und unerbittlich,

Die Brauen steile Zirkumflexe

Wie bei der bitterbösen Hexe –

Burrs kriegte Muffen!

Halb schon geschlagen,

Versuchte er grad noch zu bluffen

Und fest: „Also wirklich!“ zu sagen,

Um sich zu behaupten als Mann;

Queenie lag einfach da

und schaute ihn an.

Schaute nur, quälend lange, dann

Schließlich lächelte sie verächtlich,

Nur so für sich; gähnte; erhob sich

Und legte schwarze Seidenstrümpfe an.

Schminkte die Lippen, griff zum Puder –

Und was bei der Nase begann,

Ließ, als sie fertig

mit dem Quast war,

Ihren Leib schimmern

wie Alabaster.

Burrs sah zu.

So still, man hörte die Möbel knacken.

Ob das schon hieß,

Vorbei der Knies?

Sie fuhr in ein Paar hohe Hacken

Und peilte prüfend auf ihre Füße:

Er schien Luft zu sein für die Süße.

Kalt kroch ihm das Schweigen

den Rücken hinauf.

„Queenie!“

Stille. Noch ein Anlauf:

„Queenie, zum Teufel –!“

Er hatte sich reinverbissen;

Ganz egal wie, jetzt wollte er's wissen.

Vergaß seinen Stolz,

Gab sich einen Ruck,

Stand auf

Und ging rüber zum Bett. Was soll's,

Er hockte sich neben sie:

„Queenie!“

Griff ihren Arm und schüttelte ihn –

Mochte wohl sein, daß sie's amüsant fand,

Doch ließ sie davon nichts sehn.

Ihren Augen blitzten:

Nix Waffenstillstand!

Sie wand ihren Arm aus seiner Hand

Und schoß hoch, ganz wütende Kanaille.

Auch Burrs sprang auf:

Schlang ihr die Arme um die Taille,

Nahm sie in die Zange und preßte

Und drückte sie unter Geschnauf.

Kurz sträubte sie sich,

wehrte sich schwach –

Dann gab sie nach.

Halb zog er sie aufs Bett,

Halb sank sie hin;

Mit ihrem warmen, weichen Leib

begrub sie ihn.

Sein Gesicht fest

An ihren Busen gepreßt,

Entspannte sie sich,

Hielt still

Und ließ ihren kleinen Brummbären

Mit Lippen und Händen gewähren.

Sie war wie Eis, kalt bis ans Herz:

Jetzt hatte sie, spürte sie,

Ihn am Sterz!

Sein Puls ging schneller,

Sein Atem schwerer –

Sie verpaßte ihm einen feurigen Kuß:

Burrs erbebte, stöhnte benommen,

Und um ein Haar wär er gekommen.

Dann jedoch,

Wie die tückische Schlange,

Entwand sie sich ihm,

Kam in den Schultern hoch,

Ballte die Faust, fackelte nicht lange

Und schlug zu.

So was bekam einer Umarmung schlecht,

Fand Burrs; er riß die Hände

vors Gesicht.

Sie lachte bellend auf und floh,

Er hinterher –

Bluten tat er ja sowieso!

„Du verdammte Ische,

Wenn ich dich erwische!“

Sie schnappte das Brotmesser

vom Tisch

Und eine zufällig griffbereite

Leere Flasche, ehemals Whisky:

So stand in Null Komma nichts sie

Drohend auf der anderen Seite.

Sie hielten inne, beäugten sich

Über den Tisch hinweg –

Beide das Tier im Blick,

Beide auf hundertachtzig.

Queenies Gesicht war kalkig

wie frisch geweißelt.

„Wenn du mich anrührst,

Mach ich dich alle, du Scheißkerl!“

Als Drohung nichts Neues,

Doch der Ton zeigte an,

Daß es ihr ernst war: Gesagt, getan!

Sein Herz setzte einen Schlag aus:

„Na, was ist –?“

Die Luft war raus.

„Bei meinem Püppchen piept es,

Aber ich lieb sie, so was gibt es!“

Seufzte Burrs resignativ

Und lächelte schief;

Es lief eh, wie es lief.

Schulterzuckend Queenies Einsatz:

„Pah! Alles Kokolores, mein Schatz,

Bleib mir vom Leib mit Sentimentalitäten!“

„Komm“, sagte Burrs, „sei ein braves Mädchen;

Laß gut sein jetzt und gib

Das Messer her, wir sind quitt.

Mir ist mein Leben zu lieb.“

„Ach ja?“ drauf Queenie. „Wär nichts

für mich!

Und übrigens, daß du das richtig kapierst,

Wenn du mich noch mal als Schlampe titulierst,

Und ich hab ein Messer, dann krieg ich dich –

Schreib's dir hinter die Löffel, gut leserlich!“

Und ließ, als sei eins und eins

wieder zwei,

Sich zu einem kleinen Küßchen herbei.

Sie nahm eine Tasse und linste rein,

Schwenkte die Kanne,

Goß sich ein

Und setzte sich.

Damenhaftes Nippen

Ebenmäßiger Lippen;

Wie versunken in Gedanken

Saß sie da, die schönen, schlanken

Beine übereinander, am Wippen.

Zeit dem Himmel zu danken:

Frieden.

Queenies Gesicht war noch weiß vor Wut,

In ihren Augen schwelten Reste der Glut –

Doch dann, mit bedächtigem Nicken

Ihres schicken

Goldgelockten Köpfchens,

Sagte sie zu Burrs' Entzücken:

„Ich hab das Gefühl, es spricht

Alles für eine Party,

Findest du nicht?“

Drauf er: „Und ob!

Muß schon eine Woche sein

Seit meinem letzten Affen;

Wir laden die ganze Bagage ein!“

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