: Es sind Nährstoffe drin
Vor 40 Jahren hat Ronald McDonald sein erstes Restaurant eröffnet / Ein Londoner Prozeß enthüllt die Wahrheit über den Fast-Food-Konzern ■ Von Hugh Williamson
Berlin (taz) – Die größte Party feiern die Kritiker. Umwelt- und Tierschützer protestieren heute vor über fünfzig britischen McDonalds-Restaurants. Auch in den USA, Neuseeland und Spanien sind Aktionen geplant. Zum Geburtstag ruft eine britische Kampagne dazu auf, Säcke voller McDonalds-Müll an die Läden zurückzugeben. Deutsche Tierschützer haben schon in Heidelberg, im Ruhrgebiet und an anderen Orten vor McDonalds-Läden demonstriert.
Am 15. April 1955 hat Ronald McDonald in Des Plaines (Illinois) sein erstes Restaurant eröffnet. 15.000 Filialen in über 70 Ländern beweisen den Erfolg der Abfütterungsformel „Geschwindigkeit– Konformität–Effizienz“. Populär ist sie auch: In Deutschland versorgen 571 Restaurants täglich 1,3 Millionen Besuchern, 1994 stieg der Umsatz auf 2,6 Milliarden Mark an. Doch seit langem verweisen Kampagnen auf die Kosten dieses Aufstiegs.
Eine Geschichte nach dem Muster David gegen Goliath: In Deutschland hat McDonalds 36.000 Angestellte, aber keine Betriebsräte. In London verklagt McDonalds zwei arbeitslose Umweltschützer wegen Verleumdung, weil sie ein Flugblatt veröffentlicht haben. Mit insgesamt 180 Zeugen soll der Prozeß, der im letzten Juni begann, bis Anfang 1996 dauern. „Der Prozeß ist unglaublich anstrengend und erschöpfend“, meint die Angeklagte, Helen Steel, „aber gegen McDonalds muß man sich wehren.“ „Wir schulden einfach unseren Kunden und unserem Personal, daß wir für die Wahrheit einstehen“, kontert PR-Manager Mike Love und will lieber über die Expansionspläne sprechen. Die gelben Bogen werden 1995 auf 80 neuen Läden in Deutschland erscheinen, die derzeit 60 Filialen in Mittel- und Osteuropa sollen bis zum Jahr 2000 auf 500 anwachsen. Für die weitere Zukunft faßt McDonalds China ins Auge und hofft für das Jahr 2003 auf 600 Filialen. Das größte Restaurant in Beijing verkauft schon jetzt mehr Hamburger als jedes andere auf der Welt.
Helen Steel, eine 29jährige ehemalige Gärtnerin, und ihr 41jähriger Mitangeklagter, Dave Morris, ehemals Postangestellter, möchten diese Expansion bremsen. „Wir sind zuversichtlich, daß unser Prozeß gut verläuft“, sagt Steel.
Das imkriminierte Faktenblatt mit dem Titel „Was ist falsch an McDonalds?“ beschuldigt auf sechs Seiten McDonalds der Zerstörung von Regenwäldern und der Umwelt, des Anbaus von Monokulturen, des Verkaufs nährstoffarmer Lebensmittel, der Ausbeutung von Kindern durch Fernsehwerbung und der sklavenartigen Behandlung der Angestellten.
Das Faktenblatt wurde 1984 zum ersten Mal von der radikalen Londoner Greenpeace-Gruppe veröffentlicht (die nichts mit Greenpeace International zu tun hat). McDonalds schleuste Privatdetektive in die Gruppe ein und stellte 1990 Strafanzeige wegen Verleumdung gegen fünf Mitglieder. Angesichts der Kosten, die auf dem Spiel stehen, entschuldigten sich drei von ihnen. Die beiden Verbliebenen verfügen über keine finanziellen Mittel und verteidigen sich daher selbst, mit Unterstützung freiwilliger Anwälte.
Der tägliche Kampf zwischen den McDonald-Schlipsen und den Aktivisten in Jeans, den ein Schriftsteller als „beste kostenlose Unterhaltung in London“ beschrieb, hat unbequeme Tatsachen ans Licht gebracht:
– Obwohl McDonalds behauptet, kein Rindfleisch aus Herden zu verwenden, für deren Weide Regenwälder gerodet wurden, belegen Zeugen, daß McDonalds 1983 bis 1984 brasilianisches Rindfleisch nach Großbritannien importiert hat und die Filialen in Costa Rica Rindfleisch aus Regenwaldrodungen verwendet haben.
– Zur Ernährung fragten die Angeklagten Dr. Sidney Arnott, McDonalds' Experten für Krebs, ob man „mit Recht“ sagen könne, daß „ein hoher Nahrungsmittelanteil an Fett, Zucker, Tierprodukten und Salz und geringe Anteile an Faserstoffen, Vitaminen und Mineralien mit Brustkrebs und Darm- und Herzkrankheiten in Verbindung stehen“. Arnott antwortete: „Für die Laienöffentlichkeit gesagt, halte ich es für durchaus gerechtfertigt.“ Eben das stand im Faktenblatt. Die Fast-Food-Manager räumten ein, daß für McDonalds „nahrhaft“ einfach bedeutet: „enthält Nährstoffe“.
– Zur Werbung sagte Paul Preston, McDonalds-Präsident in Großbritannien, Ronald McDonald wolle nicht „Nahrungsmittel verkaufen“, sondern „die McDonalds-Erfahrung“ bekannt machen. Der Marketingchef gab zu, wenn die Firma in eine neue Region expandiere, wende sich die Werbung zunächst ausschließlich an Kinder.
– Ein landesweit propagiertes „Recycling“-Projekt forderte die Kunden auf, Polystyren-Verpackungen in eine besondere Mülltonne zu werfen. Ein Vizepräsident der Firma mußte zugeben, daß der Müll nicht wiederverwertet wurde.
– Der Anfangslohn von drei Pfund zehn (sieben Mark) pro Stunde sei nicht „niedrig“, meinte Präsident Preston vor Gericht. Zeugenaussagen belegen, daß ein offizieller Bericht zum Ergebnis kam: „Die Antreiberpolitik lief darauf hinaus, daß der Dienst am Kunden vor der Sicherheit der Angestellten rangierte.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen