Eine arme Sau zu sein

Taumelnde Löwen versetzen beim 4:0 gegen Bochum ihren Übungsleiter in Verzückung  ■ Aus München Markus Götting

Auf Wie-der-seehn! Beziehungsweise tschö, wie man bei euch im Ruhrpott sagt. Drei Punkte Vorsprung... eins, zwei, drei... hohoho, das holt ihr niemals auf, und denkt euch, die Tordifferenz, da ist Duisburg ja noch besser. Also, frisch die Landkarte gewälzt, liebe Bochumer, demnächst geht's wieder nach Zwickau und Meppen (wenn die nicht sogar aufsteigen). Solltet ihr noch mal nach München fahren wollen, sehen wir uns wahrscheinlich in Unterhaching.

Oh, pardon, jetzt hat das 4:0 (vier zu null!) wohl unsere Fair- play-Sinne vernebelt. Deshalb zurück zur Sachlichkeit, zu gewohnter Objektivität, was wirklich nicht leichtfällt. Selten sah man im Grünwalder Stadion solcherlei graziösen Ballsport, und was noch erstaunlicher war: Rene Rydlewicz, Bernhard Winkler sogar zweimal und Bernhard Trares bewiesen ungeahnte Treffsicherheit; nicht Pfosten, nicht Außennetz, nein, mittenrein haben sie die Bälle getreten und ihren Übungsleiter in große Verzückung versetzt. „Die Bochumer waren nicht so schlecht“, sagte Werner Lorant, der sich nach solchen Spielen machohaft zurückzulehnen pflegt, „wir waren so gut.“ Letzteres dürfen wir wohlwollend unterstreichen, aber Bochum ein ernsthafter Konkurrent? „Wir haben es zumindest versucht“, sagte Uwe Wegmann, der Kapitän, aber das Bemühen hatten sie schon nach 20 Minuten eingestellt und sich hernach ihrem Schicksal gefügt.

Tief enttäuscht sei er von der Leistung seiner Mannschaft, sagte Trainer Klaus Toppmöller: „Sechzig hat uns vorgemacht, wie im Abstiegskampf gespielt wird.“ Furchtlos nämlich, aggressiv in Zweikämpfen, flink und kombinationssicher in der Offensive, wo einzig Stürmer Olaf Bodden instinktsicher immer dort stand, wo garantiert kein Ball auf seinen Kopf tröpfeln würde. Aber nicht einmal der ehemalige Rostocker hat Lorants Laune verderben können. „Wenn man so schöne Tore macht“, sagte der Fußballehrer, „darf man sich als Trainer doch mal freuen.“ Darf man. Aber das Mitleid bitte schön nicht vergessen, wie Bernhard Trares, der vom einstigen Choleriker zum besonnenen Abwehrchef mutierte. „Wenn ich bei Bochum Libero gespielt hätte“, sagte er, „wäre ich eine arme Sau gewesen.“ [Wahrscheinlich eher ein Eber, d. setzerin] Und damit hat er nicht unrecht, denn die Defensivabteilung der Revierkicker war gnädig gestimmt gegenüber den Gastgebern: Keine rüden Attacken, lässig kommen lassen, ehrfürchtig bestaunen, was sich da so alles vor dem Tor abspielt.

Kein Grund deshalb für Löwen- Euphorie und Kapitän Manfred Schwabl erinnerte prophylaktisch an die vergangene Saison, als er trotz vier Punkten Polster am vorletzten Spieltag mit dem 1. FC Nürnberg noch abgestiegen ist. Solcherlei Ungemach steht vermutlich nicht zu befürchten. Rätselhaft bleibt aber, was Lorant damit meinte, als er sagte: „Wer glaubt, das war der Saisonhöhepunkt, hat sich getäuscht.“ Dürfen wir beim nächsten Heimspiel etwa auf ein 5:0 gegen Mönchengladbach spekulieren?

VfL Bochum: Wessels - Waldoch - Herrmann, Reekers - Peschel, Schwanke, Wynalda (64. Baluszynski), Frontzeck (46. Michalke), Wegmann, Wosz - Wohlfarth

Zuschauer: 28.500 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Rydlewicz (21.), 2:0 Winkler (29.), 3:0 Winkler (36.), 4:0 Tares (69.)

TSV 1860 München: Berg - Trares - Kutschera, Miller - Rydlewicz (72. Störzenhofecker), Stevic, Schwabl, Nowak, Dowe - Winkler, Bodden (61. Yanyali)