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Gemeinsam eine Lösung finden

Streitgespräch zwischen dem türkischen SPD-Abgeordneten Hakki Keskin und Mehmet Sahin, Vorsitzender von „KOMKAR“  ■ Moderiert von Jürgen Gottschlich

Hakki Keskin lebt seit über dreißig Jahren in Deutschland und gehört zu den Autoren einer Studie des Instituts für türkisch-europäische Beziehungen über „Ursachen und Lösungswege des Kurdenkonflikts“. Mehmet Sahin ist Vorsitzender der kurdischen Immigrantenvereinigung „KOMKAR“. KOMKAR setzt sich seit Jahren für eine friedliche, politische Lösung in Kurdistan ein und versucht, zusammen mit türkischen und deutschen Intellektuellen und Politikern solchen Vorschlägen in der Türkei Gehör zu verschaffen. KOMKAR wird von der PKK als unliebsame Konkurrenzorganisation eingestuft.

taz: Vielleicht fangen wir gleich mit einer etwas zugespitzten Frage an. Ist es für sie beide denkbar, daß der türkische Staatspräsident Demirel und der Chef der kurdischen Arbeiterpartei PKK demnächst miteinander verhandeln?

Keskin: Ich glaube nicht, daß Demirel oder irgendein anderer türkischer Politiker, der Regierungsverantwortung wahrnimmt, willens oder in der Lage ist, mit Öcalan an einem Tisch zu sitzen. Mit einer Terrororganisation kann sich keine gewählte Regierung an einen Tisch setzen, solange die Organisation nicht definitiv der Gewalt abgeschworen hat. Nein, da muß es andere Schritte geben.

Das erinnert sehr an die Aussagen der verschiedensten israelischen Regierungen, bis es eben letztlich doch zum Händedruck Rabin/Arafat kam.

Keskin: Ja, aber erst nachdem die PLO sich glaubwürdig von Gewalt und Terror distanziert hat.

Sahin: Um die Frage zu beantworten muß überhaupt erst einmal klar sein, ob die türkische Regierung die Kurdenfrage friedlich lösen will oder aber immer noch glaubt, die PKK militärisch besiegen zu können und damit dann auch die Kurdenfrage gelöst zu haben. Schauen wir nach Spanien. In die Baskenfrage kam auch erst Bewegung, nachdem Franco tot war und eine demokratische Regierung tatsächlich eine friedliche Lösung anstrebte. Wenn der Wille zu einer politischen Lösung da ist, lassen sich auch Wege finden – aber der Wille der türkischen Regierung fehlt. Warum hat die türkische Regierung nicht mit den kurdischen Abgeordneten der DEP gesprochen? Statt dessen hat sie dafür gesorgt, daß diese Abgeordneten aus dem Parlament geworfen und als Separatisten verurteilt wurden.

Das heißt, es hätte Möglichkeiten zu Gesprächen gegeben, ohne daß die türkische Regierung sich mit der PKK an einen Tisch hätte setzen müssen?

Sahin: Ja, natürlich. Die Kurden haben andere Repräsentanten als die PKK.

Aber die anderen kurdischen Gruppierungen könnten keinen Waffenstillstand aushandeln.

Sahin: Das ist auch nicht notwendig. Wenn die Regierung die Kämpfe einstellt, wird die PKK sofort die Waffen schweigen lassen.

Herr Keskin, gibt es innerhalb des politischen Establishments der Türkei eine genügend starke Gruppe, die sagt, wir wollen nicht länger den Einsatz des Militärs, sondern wir wollen eine politische Lösung. Der verstorbene Staatspräsident Özal hat ja mal 1991 einen Anlauf zu einer Vereinbarung gemacht, ist aber vom Militär ziemlich harsch ausgebremst worden.

Keskin: Fast alle Parteien wollen eine politische Lösung, aber nicht unter dem Diktat des Terrors und der Gewalt. Erst muß der Terror beseitigt werden, und dann können alle weiteren Fragen besprochen werden. Das ist der Stand in der Türkei. Ich persönlich meine, daß Reformen, die Gewährung umfassender kultureller Rechte für die Kurden, jetzt sofort in Angriff genommen werden sollten. Aber so redet ein in Deutschland lebender Intellektueller. Schauen wir uns tatsächlich die anderen vergleichbaren Konflikte an. Die britische Regierung hätte niemals mit der IRA geredet, wenn diese nicht zuvor einen Verzicht auf Gewalt erklärt hätte. Das gleiche gilt für Israel und die PLO.

Sahin: Die PKK hat doch mehrfach einen Waffenstillstand angeboten. Im März 1993 hat sie sogar einen einseitigen Waffenstillstand über einen längeren Zeitraum eingehalten.

Keskin: Wir reden immer noch aneinander vorbei. Die förmliche Anerkennung eines Waffenstillstands würde ja gleichzeitig bedeuten, die PKK als reguläre Kriegspartei anzuerkennen. Das will und wird die türkische Regierung nicht tun, das sage ich doch die ganze Zeit. Das würde schon die Bevölkerung nicht zulassen, selbst wenn die Regierung es wollte.

Sahin: Dann frage ich Sie noch einmal anders: Ist denn die Kurdenfrage gelöst, falls die PKK besiegt würde? Ist das Problem dann erledigt? Das ist doch die Kernfrage.

Keskin: Nein, nein, natürlich nicht.

Können wir noch einmal versuchen, die größten Hindernisse für eine politische Lösung zu benennen. Stimmen Sie zu, daß die ausschließliche Reduktion der kurdischen Frage auf ein Terrorismusproblem auf der einen Seite und das kurdische Beharren auf einem eigenen Staat Positionen sind, bei denen es keinen Kompromiß, keine Verhandlungen geben kann?

Keskin: Türken und Kurden leben fast tausend Jahre zusammen. Zur Zeit gibt es ungefähr 5 Millionen Mischehen. Es gibt vielfältige Beziehungen untereinander, und es gibt kein Gebiet in der Türkei, in dem ausschließlich Kurden oder ausschließlich Türken leben. Es gibt eine historische und praktische Notwendigkeit, miteinander auszukommen. Einfache Lösungen, indem man sagt: Hier habt ihr euren kurdischen Staat, gibt es dagegen nicht. Über die Hälfte der Kurden lebt in den westlichen Großstädten der Türkei. Beide Völker sind letztlich dazu verurteilt, friedlich miteinander zu leben. Das Problem ist, bis zu Özal habe alle türkischen Regierungen negiert, daß es Kurden gibt. Alle Bewohner der türkischen Republik sollten Türken sein, mit gleichen Rechten und Pflichten. Und in den letzten siebzig Jahren hat die überwiegende Mehrheit der türkischen und kurdischen Bevölkerung ja auch friedlich miteinander zusammengelebt.

Sahin: Das ist nicht so. Das ist die Sichtweise der türkischen Regierung, die Sicht des Kemalismus. Wenigstens hier im Ausland sollten wir anfangen über die Fakten zu reden. Gibt es überhaupt ein kurdisches Volk? Gibt es wie im Nordirak oder im Iran ein Gebiet Kurdistan? Seit Gründung der türkischen Republik gibt es ein Problem. Im Befreiungskrieg haben die Kemalisten noch von einer türkischen und einer kurdischen Nation geredet. Zwei Nationen in einem Staat. Davon war später keine Rede mehr. Das war die Brüderlichkeit der Kemalisten. Seitdem waren die kurdischen Gebiete eine Kolonie Ankaras.

Keskin: Das ist doch Unsinn. Das entsprach doch nie der tatsächlichen Situation. Jeder Kurde konnte in der Türkei jede beliebige Position einnehmen.

Sahin: Natürlich, aber nur wenn er seine Herkunft als Kurde verleugnet. Wer sich auf seine kurdische Existenz beruft, wer die Rechte des kurdischen Volkes einfordert, wird verfolgt.

Keskin: Die Türkei hat eine republikanische Verfassung, die nicht nach ethnischer Herkunft fragt. Das ist ja gerade die Grundlage des modernen türkischen Staates. Es gibt fünfzig unterschiedliche Ethnien in der Türkei. Schon deshalb hat es natürlich eine Assimilationspolitik gegeben – im positiven Sinne. Ich bin in der Osttürkei aufgewachsen. In meiner Stadt, Erzincan, hat es immer zwei kurdische Abgeordnete gegeben.

Sahin: Das bestreite ich doch gar nicht. Solange ich mich als Türke bekenne, kann ich alles werden. Was ist aber mit den kurdischen Abgeordnten, die darauf bestanden haben, daß sie Kurden sind?

Keskin: Das ist ein anderes Problem. Es gibt in der Türkei eine ganz defizitäre Demokratie. Das weiß jeder. Das geben ja sogar die Repräsentanten des Staates zu. Es gibt Menschenrechtsverletzungen,

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es gibt Folter, das weiß jeder, ganz offiziell. Wichtig ist, daß jemand nicht verfolgt wird, weil er Kurde ist, sondern weil er ein Oppositioneller ist.

Sahin: Jeder, der die elementaren Rechte für das kurdische Volk verlangt, nicht mit der Waffe, sondern auch als Wissenschaftler oder als Journalist, wird verfolgt.

Keskin: Ja, das ist auch ein Demokratiedefizit. Gäbe es eine entwickelte Demokratie, was ja fast alle Parteien in der Türkei anstreben, wäre das nicht mehr der Fall. Die jetzige – undemokratische – Verfassung soll ja verändert werden.

Herr Sahin, können sie einmal möglichst präzise sagen, wie die türkische Gesellschaft, die türkische Verfassung, verändert werden muß, damit aus Ihrer Sicht ein friedliches Zusammenleben in der Türkei möglich ist – oder besteht die Mehrheit der Kurden ohnehin auf einem eigenen Staat?

Sahin: Auch das kurdische Volk hat wie jedes andere das Recht, selber darüber zu entscheiden, ob es in einem eigenen Staat leben will oder nicht. Die Mehrheit der Kurden in der Türkei ist aber für einen gemeinsamen Staat. Einem Bundesstaat, in dem Kurden und Türken gleichberechtigt zusammenleben. Das heißt, in der Verfassung wird festgehalten, in der Türkei lebt die türkische und die kurdische Nation. Wer glaubt, die Kurdenfrage nur mit einigen kulturellen Zugeständnissen lösen zu können, irrt sich.

Keskin: In der Tat, wenn wir uns näherkommen wollen, und das müssen wir, muß es Veränderungen in der Türkei geben. Erstens muß anerkannt werden, daß es ein kurdisches Volk, eine kurdische Identität gibt, zweitens, die Zulassung von Kurdisch als Schulsprache, kurdische Fernsehsender undsoweiter müssen akzeptiert werden, und darüber hinaus muß man über eine Verwaltungsreform, eine Dezentralisierung der staatlichen Instititionen nachdenken. Sie sagen, ein Bundesstaat, der aus zwei Regionalstaaten bestehen soll. Ich sage, das entspricht nicht den historischen Gegebenheiten dieses Landes. Jedes Land muß versuchen, seine Entwicklung aus seiner Geschichte heraus zu verstehen. Ich glaube, man sollte statt dessen versuchen, die gesamte Verwaltung des Staates zu dezentralisieren, so daß die Bevölkerung in den verschiedenen Teilen des Landes größere Selbst- und Mitbestimmungsrechte bekommt, damit – natürlich auch die kurdische Bevölkerung – sie ihre Geschicke in der Region selbst bestimmen kann. Das wäre, glaube ich, in der Türkei machbar.

Bedeutet das regionale Parlamente, regionale Regierungen oder weiterhin von Ankara eingesetzte Gouverneure?

Keskin: Über die Einzelheiten kann man diskutieren.

Sahin: Das ist doch eine sehr türkische Sichtweise.

Keskin: Dann sagen Sie doch einmal Ihre Vorstellungen, was wollen Sie noch?

Sahin: Einen Bundesstaat, in dem eine kurdische und eine türkische Republik existiert und unter einem Dach zusammenkommt. Das bedeutet ein gemeinsames Parlament, aber jeweils eine regionale Regierung für Kurden und eine für Türken. So, wie es in Belgien der Fall ist. Das ist kein Separatismus, sondern vorteilhaft für beide Nationen.

Keskin: Das ist nicht realistisch. Das ist nicht machbar. Welche Kräfte gibt es in der türkischen Gesellschaft, die solche Ideen unterstützen würden? Das kann ja nicht wie in einer Diktatur von oben herab gemacht werden. Dafür bräuchte man Mehrheiten.

Der erste Schritt wäre aber, solche Modelle erst einmal öffentlich zu debattieren.

Keskin: Natürlich, natürlich!

Sahin: Warum wird nicht das kurdische Volk gefragt, warum werden die Lösungsmöglichkeiten nicht auch mit den einfachen Menschen diskutiert?

Keskin: Wissen Sie, ich habe bisher darüber geredet, was ich für realistisch halte. Ich persönlich, Hakki Keskin, hätte nichts dagegen, wenn, ohne Repression durch die PKK oder das Militär, die kurdische Bevölkerung gefragt würde, wie sie leben will. Wenn sie einen eigenen Staat haben wollen, bitte schön. Aber was wären die Konsequenzen? In einem kurdischen Staat, unter der Dominanz der PKK, könnte die türkische Bevölkerung, die jetzt in diesen Gebieten lebt, nicht bleiben. Die Türken in diesem Gebiet würden vertrieben. Das gleiche würde dann umgekehrt geschehen, die Kurden würden aus den westlichen Gebieten vertrieben. Das wäre eine Katastrophe, eine ethnische Säuberung in Millionenumfang.

Sahin: Das wollen wir doch auch nicht. Deshalb bemühen wir uns seit zwanzig Jahren um eine demokratische, politische Lösung. Das bedeutet, um diskutieren zu können, um zu einer politischen Lösung zu kommen, müssen erst einmal die Waffen schweigen, muß das Ausnahmerecht aufgehoben werden, müssen die Institutionen des Ausnahmezustands abgeschafft werden, kurdische Parteien zugelassen werden, und die kurdische Sprache und Kultur muß gelehrt und weitergegeben werden. Wenn wir das erreicht haben, beginnen die Gespräche. Wie kommen wir dahin? Die PKK ist bereit, einen Waffenstillstand einzugehen.

So weit waren wir ja schon einmal. Hakki Keskin sagt dann, Waffenstillstandsverhandlungen mit der PKK wird es nicht geben.

Sahin: Brauchen wir auch nicht. Wenn der türkische Staat mit der PKK nicht reden will, kann er den ersten Schritt selbst tun. Wenn die Armee in Kurdistan aufhört zu schießen, wird auch die PKK aufhören. Das haben sie mehrmals erklärt.

Keskin: Der Anfang besteht in solchen Situationen immer darin, daß die Aufstandspartei, die den Staat bekämpft, erklärt: Wir werden unsere Ziele nicht mehr gewaltsam, sondern mit politischen Mitteln verfolgen. Wenn das der Fall ist, gibt es viele Möglichkeiten, ins Gespräch zu kommen. Man kann Botschaften über die irakischen Kurden schicken, mit der kurdischen sozialistischen Partei reden undsoweiter. Aber das ist der zweite Schritt. Der erste Schritt ist, daß die PKK sagt, wir werden nicht mehr bewaffnet vorgehen, wir wollen verhandeln.

Sahin: Sie erwarten die Kapitulation der PKK, ohne irgendwelche Garantien zu geben.

Herr Keskin, welche Zusicherungen könnte die türkische Regierung den Kurden machen – wenn nicht öffentlich, nicht im Wege von Verhandlungen, dann eben über diskrete Kanäle. Was könnte sie der PKK anbieten, damit diese zu einem solchen von ihnen geforderten Schritt bereit sein könnte?

Keskin: Ich glaube, daß genau darüber heute in den verschiedenen Parteien und anderen gesellschaftlichen Institutionen diskutiert wird. Wir müssen alles tun, um erst einmal das Blutvergießen zu stoppen.

Die PKK muß nicht kapitulieren – aber die Seite die den Aufstand begonnen hat, muß öffentlich davon Abstand nehmen. Dann werden die politischen Parteien sich genötigt und gedrängt sehen zu verhandeln, mit wem auch immer. Dann wird auch eine Lösung gefunden, letztlich auch mit den Leuten aus der PKK.

Sahin: Warum sollte die PKK jetzt, ohne Gegenleistung die Waffen niederlegen?

Herr Keskin, glauben sie nicht, daß die spezifische Rolle des türkischen Militärs eine politische Lösung tatsächlich verhindert?

Keskin:Es ist ja bekannt, daß das Militär in der Türkei viel zu sagen hat. Aber letztendlich, wenn die Rahmenbedingungen sich ändern würden, wenn die PKK der Gewalt abschwört, wäre es auch für das Militär sehr schwierig, Verhandlungen abzulehnen. Gegen wen soll das Militär kämpfen, wenn die PKK die Waffen niederlegt? Wenn von seiten der PKK ohne Befristung erklärt wird, wir schießen nicht mehr, wir wollen eine politische Lösung, werden sich Mittel und Wege finden lassen, miteinander zu reden. Davon bin ich überzeugt. Das beste wäre, wenn alle demokratischen Kräfte unter den Kurden darauf drängten, daß die PKK den bewaffneten Kampf aufgibt. Natürlich in der Hoffnung, daß der türkische Staat positiv darauf reagiert.

Warum sollten sie diese Hoffnung haben?

Keskin: Dafür müßte man Gespräche führen. Nicht mit der PKK, aber mit anderen demokratischen kurdischen Organisationen, die bereit wären, die PKK für eine friedliche Lösung zu gewinnen oder auch zu zwingen. Gegenüber den demokratischen Organisationen in Kurdistan muß der türkische Staat seine Bereitschaft erklären, kurdische Parteien zu legalisieren und eine Generalamnestie vorzubereiten, wenn diese die PKK dazu bringen, die Waffen niederzulegen.

Könnte es sein, daß das Hauptproblem darin besteht, daß sowohl die PKK aber auch das Militär immer noch nicht eingesehen haben, daß dieser Krieg nicht zu gewinnen ist?

Keskin: Ich weiß natürlich nicht genau, wie die Militärs denken, aber jede vernünftige Mensch weiß, daß Ideen nicht mit Gewehren beseitigt werden können. Ich persönlich meine, eine friedliche Lösung setzt den Willen zu einer Aussöhnung voraus. Beide Seiten, sowohl die türkische als auch die PKK, müssen Annäherungen wagen, müssen über den eigenen Schatten springen.

Sahin: Dann lassen Sie uns gemeinsam Druck auf die türkische Regierung ausüben, indem auch Sie sagen, die Waffen müssen schweigen, so geht es nicht.

Keskin: Natürlich, das machen wir doch.

Ist es denkbar, im Ausland eine große kurdisch-türkische Initiative zusammenzubekommen, die in diesem Sinne in der Türkei Einfluß nimmt?

Sahin: Das machen wir ja. Gerade haben wir einen Aufruf zusammen mit türkischen und deutschen Intellektuellen veröffentlicht, der genau dieses Ziel hat.

Keskin: Das sind doch einseitige Initiativen für die Bildung eines kurdischen Staates, durch die Sie nichts erreichen. Wir sollten uns gemeinsam für Ziele engagieren, die erreichbar sind. Ich sage, völlige Gleichstellung und eine regionale Selbstbestimmung – allein die Parole, Selbstbestimmung der Völker, ist keine Lösung, sondern ein Programm für ein neues Jugoslawien, ein neues Bosnien. Ich vermute, daß, wenn es heute ein Referendum unter der kurdischen Bevölkerung gäbe, mehr als 60 bis 70 Prozent für einen Verbleib im türkischen Staat stimmen würden – unter der Voraussetzung, daß ihre kulturellen Rechte anerkannt werden.

Sahin: Dann sorgen wir doch dafür, das es zu einem Referendum kommt. Wenn der Krieg beendet wird und der Ausnahmezustand aufgehoben wird, wenn kurdische Parteien legalisiert werden und die kurdische Sprache auch in den Schulen gelehrt wird, dann können wir eine Lösung finden.

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