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„Elektro-Mafia“ mit reger Beteiligung

■ Bestechung: Haftstrafen gegen leitende Siemens-Manager verhängt

Berlin (taz/AP) – Es begann mit einer Schmiergeldaffäre um den Bau eines Klärwerks. Und endete als Lehrbuchfall für alle, die schon immer mal wissen wollten, wie man mit Bestechung und illegalen Preisabsprachen Millionen scheffelt. Fünf leitende Angestellte des Siemens-Konzerns wurden gestern in der zweiten Prozeßrunde im „Münchner Schmiergeldskandal“ zu Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Das Landgericht München sah es als erwiesen an, daß die Manager ihrem Unternehmen in den 80er Jahren über Preisabsprachen und Schmiergeldzahlungen öffentliche Aufträge in Millionenhöhe verschafft hatten. Drei der Angeklagten waren bereits im Jahr 1992 wegen ihrer Verstrickung in den Münchner Schmiergeldskandal verurteilt worden. Die Strafen aus dem damaligen Verfahren wurden in die neuen Urteile mit einbezogen.

So funktionierte der Betrug: Die verurteilten Herren beteiligten sich an einer Art Kartell, der sogenannten „Elektro-Mafia“. Diese Elektro-Mafia aus Firmenvertretern und Mittelsmännern vereinbarte bei der Ausschreibung von öffentlichen Bauvorhaben, wer den Auftrag bekommen sollte. Die anderen Unternehmen gaben als sogenannte „Schutzgeber“ überhöhte Scheinangebote ab, trieben damit die Preise in die Höhe und sicherten der vereinbarten Firma den Zuschlag. Insgesamt sollen sich Mittelsmänner aus 20 Unternehmen an diesem Kartell beteiligt haben. Außer gegen Siemens wird auch gegen AEG und ABB ermittelt.

Die Münchner „Spezlwirtschaft“ funktionierte nur, weil der 44jährige Manfred O., damals Angestellter im Baureferat von München, den Herren von den Konzernen behördeninterne Ausschreibungslisten zugeschanzt hatte. O. kassierte dafür Schmiergelder in Höhe von zwei Millionen Mark. Wegen Bestechung und Betrug wurde Manfred O. als Hauptangeklagter im Münchner Schmiergeld- Sumpf schon im Jahre 1992 zu sechs Jahren Haft verurteilt. Immerhin war der Stadt München durch die Vergabe überteuerter Arbeiten beim Bau von zwei Klärwerken ein Schaden von vier Millionen Mark entstanden.

Der älteste Angeklagte, der 63 Jahre alte ehemalige Siemens-Abteilungsdirektor Ernst Kerndlmaier, erhielt gestern mit drei Jahren und zehn Monaten die höchste Freiheitsstrafe. Die 4. Strafkammer legte ihm Bestechung, Betrug und Beihilfe zum Betrug zur Last. Wegen ähnlicher Delikte war er bereits 1992 zu drei Jahren und vier Monaten Haft verurteilt worden, die er zur Zeit absitzt.

Zwei Mitbeschuldigte, die damals mit Bewährungsstrafen davongekommen waren, erhielten unter Einbeziehung der alten Urteile drei Jahre und sechs Monate sowie zwei Jahre und drei Monate Haft. Zwei weitere Angeklagte, die zum ersten Mal vor Gericht standen, kamen mit Bewährungsstrafen von einem Jahr sowie einem Jahr und vier Monaten davon. Die Firma Siemens hatte für ihre Manager nach Aufdeckung des Schmiergeldskandals die Kaution gezahlt und die Verteidigerkosten übernommen.

Die Bestechungsaffäre war aufgeflogen, als ein Unternehmer versuchte, Schmiergelder in Höhe von 400.000 Mark beim Finanzamt als „Betriebsausgaben“ geltend zu machen. Dutzende von Verfahren gegen eine Vielzahl von Beschuldigten stehen noch an. BD

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