: „Das Thema ist nicht dringend“
■ Gegen die Reform: Horst Eylmann, Christdemokrat und Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag
taz: Ist die Abschaffung der lebenslänglichen Freiheitsstrafe ein Thema für Sie?
Horst Eylmannn: Nein, zur Zeit nicht. Das Thema ist nicht dringend. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist in Wahrheit ja nicht lebenslang. Die Verurteilten werden in aller Regel vorzeitig entlassen. Hinzu kommt, daß die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe in einer Zeit, in der die Kriminalität zwar nicht mehr wächst, aber sich auf einem hohen Niveau bewegt, von der Bevölkerung als falsches Signal bewertet werden würde. Das würde den Unwillen in der Bevölkerung erhöhen und den rechtsradikalen Parteien Wähler zutreiben.
Sie sagen, daß die „lebenslänglich“ nicht mehr voll vollstreckt wird. Dennoch wollen sie an der Androhung festhalten. Wozu bedarf es des Symbols dann noch?
Das ist nicht nur ein Symbol. Wenn man den Mordparagraphen ändern würde, sagen wir mal die lebenslängliche Strafe durch eine Höchststrafe von 20 Jahren ersetzte, dann würde die Verweildauer der Verurteilten sicherlich durchschnittlich unter 18 Jahre sinken.
Ist es nicht ein schwaches Argument, auf den Unwillen der Bevölkerung zu verweisen? Kommt es bei so massiven Eingriffen wie freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nicht eher auf den Sinn von Strafe an?
Sie hätten ja recht, wenn die lebenslange Freiheitsstrafe bis zum Tode verbüßt werden müßte – darum geht es mir in der Tat nicht. Mir geht es darum: Müssen bei Kapitalverbrechen 18 oder 19 oder oder 12, 13 oder 14 Jahre verbüßt werden? Die Abschaffung der lebenslänglichen Freiheitsstrafe wäre im Ergebnis eine Strafmilderung. Und eine Strafmilderung will ich nicht. In ruhigen Zeiten mit abnehmender Kriminalität kann man darüber nachdenken.
Müßte der Mord-Paragraph (211 Strafgesetzbuch) nicht schon deshalb abgeschafft werden, weil er als Relikt nationalsozialistischer Gesetzgebung im Unterschied zu den anderen Strafgesetzen an die Motivation des Täters und nicht an die Tat anknüpft?
Der besondere Teil des Strafgesetzbuches ist nach 1945 nicht reformiert worden. Es gibt dort eine Reihe von Straftatbeständen, die anders formuliert werden müßten. In eine solche Prüfung würde ich auch die Abgrenzung von Paragraph 212 (Totschlag) zu Paragraph 211 einbeziehen wollen. Im Grundsatz halte ich es aber für gerechtfertigt, die Abgrenzung nach der Motivation des Täters vorzunehmen. Wie man die Merkmale hinreichend genau formuliert, halte ich für überlegenswert. Ich denke aber, daß man zwei Tatbestände braucht, einen einfachen Totschlag und eine Qualifizierung.
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