: Wie Rußland seine Auslandsrussen verteidigen will
■ Außenminister Kosyrew warnt die GUS-Staaten vor der Verletzung der Rechte ihrer russischen Bürger / Er habe ein „umfangreiches Arsenal“ von Gegenmitteln
Moskau (dpa/taz) – Rußlands Außenminister Andrej Kosyrew hat angekündigt, daß Moskau die Interessen der Russen in den Republiken der ehemaligen Sowjetunion notfalls auch mit militärischer Gewalt verteidigen wird. Bei einer Rede vor dem Rat für Außenpolitik der Russischen Föderation in Moskau gestern vormittag sagte er wörtlich: „Zur Verteidigung unserer Landsleute gibt es ein umfangreiches Arsenal von Mitteln – von der Erklärung einer schwachen Unzufriedenheit durch irgendeinen Mitarbeiter des Außenministeriums bis hin zur Anwendung von politischen und wirtschaftlichen Sanktionen. Es können aber auch Fälle auftreten, bei denen die direkte Anwendung von Militärgewalt zum Schutz unserer Landsleute im Ausland notwendig ist.“ Dies ist bisher die schärfste Warnung an die ehemaligen Sowjetrepubliken, die Rechte der etwa 25 Millionen außerhalb Rußlands lebenden Russen zu wahren.
Kosyrew bezeichnete die Lage der russischsprachigen Bevölkerung in vielen Ländern der GUS als „nicht zufriedenstellend“. 1994 seien aus der GUS 254.500 Menschen nach Rußland übergesiedelt – vor allem aus Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien und Tadschikistan. Bis auf Estland und Lettland gebe es aber keine zielgerichtete Politik des Verdrängens der russischsprachigen Bevölkerung, meinte der Außenminister.
Kosyrew warnte jedoch auch davor, die russischsprachige Bevölkerung im Ausland für Wahlkampfzwecke in Rußland zu mißbrauchen. Es gebe Aufrufe, für die Rechte der Russen mit Hilfe von „Diktat und Drohungen an unsere Nachbarn und mitunter auch von Grenzveränderungen“ einzutreten. Dies alles führe jedoch zu einer noch stärkeren Ablehnung der Russen, sagte Kosyrew.
Präsident Boris Jelzin hatte erstmals in seiner Neujahrsansprache 1994 stärker betont, daß Moskau die Interessen der Russen im „nahen Ausland“ nachdrücklich verteidigen wolle.
Die russische Regierung hat gestern die Forderung von Verteidigungsminister Pawel Gratschow untermauert, den Vertrag über Konventionelle Abrüstung in Europa (VKSE) zugunsten Rußlands zu ändern. Vor Journalisten in Moskau sagte Außenamtssprecher Grigori Karassin, der VKSE- Vertrag sei „in einer ganz anderen politischen Situation“ entstanden, als die Sowjetunion noch existierte. Das Abkommen über Konventionelle Abrüstung war 1990 von den Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten und der Länder des damaligen Warschauer Pakts unterzeichnet worden. Nach dem Zerfall der UdSSR wurden die Höchstgrenzen auf die Nachfolgestaaten umgerechnet.
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