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Kadavergehorsam

■ betr. 8. Mai

Bei allen Gedenkfeiern und -reden kommt mir ein ganz wichtiger Faktor zu kurz oder wird gar nicht erwähnt, nämlich die „gute“ deutsche Tugend „Pflichterfüllung“, allerdings unter Ausschaltung des eigenen Gewissens. Da liegt doch einzig und alleine der Knackpunkt für alle Verbrechen. Unter dem Deckmantel der Tugend „Pflichterfüllung“ ließ sich Böses ganz leicht in Gutes verkehren. Man tat ja nur seine Pflicht, wenn man Menschen, die vom Staat zu Un- beziehungsweise Untermenschen erklärt wurden, mißachtete, denunzierte, gefangennahm, quälte und tötete.

Die Piloten, die ihre grausame, tödliche Fracht auf Nagasaki und Hiroshima abluden, taten auch nur ihre Pflicht, allerdings, wie gesagt, unter Ausschaltung des eigenen Gewissens. Der Kadavergehorsam liegt besonders uns Deutschen im Blut, immer noch. [...]

Wenn wir dieser Tatsache nicht ins Auge sehen, dann werden alle Feiern und Reden gegen das Vergessen umsonst sein, dann wird sich morgen das gleiche, vielleicht unter anderen Vorzeichen, wiederholen. [...] Brigitte Gaschler, Siegen

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