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„Keine einzige weiße Fahne“

■ 50 Jahre danach: Britische Soldaten wollten erst nicht nach Bremen kommen, weil die Deutschen hier so sinnlos erbitterten Widerstand gegen ihre Befreiung geleistet haben

Am 27. April werden sie wieder auf Bremen zugehen, über Brinkum, Kattenturm, Buntentorsteinweg hinein bis zum Befehlsbunker des NS-Kampfkommandanten Becker im Bürgerpark: 26 Veteranen. Britische Soldaten der verschiedenen Divisionen, die die Naziherrschaft in Bremen beendeten, kommen auf Einladung der Stadt zurück, um sich und uns an das zu erinnern, was vor 50 Jahren war. „Sie kämpften wie die Teufel“, so schreibt der englische Militärhistoriker George Blake über den Widerstand, auf den die englischen Truppen im Frühjahr 1945 vor Bremen stießen.

Als der Leiter des Landeszentrale für politische Bildung, Herbert Wulfekuhl, Anfang des Jahres über die britischen Veteranenverbände nach Beteiligten an diesem Vormarsch suchte, da war er von der geringen Resonanz überrascht: Zunächst meldeten sich nur drei Soldaten, die sich 50 Jahre danach von der Stadtgemeinde Bremen einladen lassen wollten. Der damalige Verbindungsoffizier der britischen Armee in Osnabrück berichtete Wulfekuhl: Einige der Soldaten hätten ihm erklärt, so hart wie vor den Toren Bremens sei der Widerstand der Deutschen nirgendwo gewesen in den letzten Kriegstagen. Man komme gern – aber nicht nach Bremen.

Insgesamt wurde dann aber doch eine stattliche Reisegruppe von 25 englischen und einem US-amerikanischen Veteranen gefunden, die am 26.4. in Bremen landen werden. Am 27.4., also auf den Tag 50 Jahre nach der Eroberung der Stadt, werden die Briten von Brinkum aus noch einmal den Weg in die Stadt hinter sich bringen – diesmal im Reisebus mit Erinnerungs-Stationen.

„Fast schon kalt, keilte der Deutsche eben immer noch aus“, schreibt George Blake über den verlustreichen Vormarsch dmals. Aus Holtebüttel bei Langwedel wird die Episode berichtet, daß sogar englische Soldaten, die einen Verwundeten auf einer Bahre bergen wollten, beschossen wurden, so daß sie ihren Kameraden liegen lassen mußten. Hin und wieder gab es sogar verzweifelte kleinere Vorstöße der Reste der Wehrmachtseinheiten gegen die mit großer Übermacht vorrückenden Engländer.

Als Achim eingenommen wurde, entdecken die Briten, daß das Streckentelefon nach Bremen hinein noch intakt war. Alle Versuche, den Kommandeur Bremens zum Aufgeben zu überreden, scheiterten - „Bremen blieb dabei, nicht aufgeben zu wollen“, schreibt der Historiker Blake. 800 schwere englische Bomber unterbrachen schließlich auch die letzte Telefonleitung.

Bei Oyten mußten, so der englische Militärhistoriker, „Scharfschützen von dem Dach eines unter ihnen brennenden Bauernhauses heruntergeholt werden“. Es war vor allem das SS-Ausbildungsbatallion „Horst Wessel“, das diesen auch militärisch sinnlosen Kampf führte und die Toten aus diesen letzten Kriegstagen zu verantworten hat. Allein in Stuhr sind auf dem Friedhof 51 Hitler-Jungen begraben, die in jenen Tagen noch sterben mußten.

„Sie kämpften wie die Teufel, erbittert, geschickt,“ schreibt der englische Historiker Blake anerkennend. Als die englischen Truppen schließlich in Bremen einrückten, war ein Großteil der Stadt zerstört. Sogar die Brücken waren gesprengt worden, um das Ende der Nazi-Herrschaft für einige Stunden aufzuhalten. Die Befreier wurden nur von den Zwangsarbeitern jubelnd begrüßt und als Befreier wahrgenommen. Von den Deutschen „zeigte niemand auch nur das geringste Anzeichen eines Gefühls“, berichtete damals der englische Korrespondent Ditton: „Und nicht eine einzige weiße Fahne.“ K.W.

Den Bericht von Ditton haben wir in der taz am 15.4. dokumentiert. Der militärhistorische Bericht von Blake ist abgedruckt in: H. Müller, G. Rohdenburg, Kriegsende in Bremen, Ed. Temmen (1995)

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