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Unorte: Tankstellen Von Claudia Kohlhase

Tankstellen sind auch nur Haltestellen. Aber wo in anderen Fällen Busse und Bahnen halten, um besonnene Menschen mit Weiterfahrt zu belohnen, sind Tankstellen eingebildete Endstationen. Natürlich heimlich, denn offiziell soll man ja weiterkommen dank Tankstellen. Aber hat sich jemand von einer Tankstelle schon mal wirklich weiterentwickelt, wie etwa in Bussen und Bahnen, wo man, kaum daß man sitzt, ein gutes Buch liest und lesen kann? Na also. Tankstellen tun auch so, als seien sie gesund und munter, dabei wissen alle, daß sie von Benzin leben.

Im Grunde ist Tankstelle Lego. Das bau' ich doch zu Hause mit links, jedenfalls, wenn ich noch Lego hätte. Aber damals, als ich noch Lego hatte, entstanden täglich mehrere Tankstellen. Und was für welche, eine Tankstelle schöner als die andere: mit Einfahrt, mit Ausfahrt, mit Schilderwald und so weiter. Und nebenan mit Hochgarage. Aber da draußen an der B 759 oder wie sie alle heißen, tun Tankstellen so, als seien sie wegen uns vom Himmel gefallen und komischerweise gleich neben den ADAC-Engeln aufgeschlagen, was aber beiden keinen Abbruch getan hat. Im Gegenteil: Seit damals geht die Legende, daß Engel in Zapfsäulen ihren heimlichen Unterschlupf haben und von dort quasi per Benzindampf entweichen. Das glaube, wer will, höre ich Atheisten sagen, aber so sind Tankstellen, genauso! Schindluder, Luder, die nichtsahnende Beifahrer dazu bringen, Dickmelk zu kaufen. Dickmelk! In einer Tankstelle! Ja wo sind wir denn! Aber genau da sind wir, nämlich in einer Tankstelle, exakt da. Dabei ist Dickmelk noch das Nichtssagendste. An der Tankstelle neben meinem Arbeitsplatz an irgendeiner Ausfallstraße ist jetzt eine Snackbar eingerichtet mit heißen Croissants, frisch gebacken vermutlich und kroß, daß die Steine erweichen.

Die Verkäuferinnen hinter dem Tresen in Tankstellen sind übrigens sagenhaft diebstahlgesichert, wobei ich keine davon unbezahlt mitnehmen würde. Nachher bieten sie einem mitten in einer Serpentine heiße Waffeln mit Sahne an, deswegen können sie von mir aus lieber in ihrer Tankstelle bleiben. Dann klappt das auch mit den Quittungen und dem Tankscheckautomaten, wenn wieder BMW- Fahrer kommen und keine Karten in Schlitze stecken können. Darum laß ich auch mein kleines dreckiges Auto nie waschen in einer Tankstelle. Nachher sehen wir aus wie BMW und müssen dauernd überholen, damit andere sich in unserem Glanz spiegeln können.

Weiß eigentlich jemand mittlerweile, warum es Tankstellen gibt? Das würde mich jetzt doch mal interessieren. Wahrscheinlich für Überfälle, das würde passen. Es muß ja Tag und Nacht jemand für Überfälle geöffnet haben, damit die kriminelle Energie nicht verpufft. Und dann geht's ja auch nur um Geld. Ich kann mir nicht vorstellen, daß jemand wegen 3.000 Schokoriegeln Hände hoch sagt. Oder wegen dem Kakaotrunk beziehungsweise des Kakaotrunks. Den kann im Prinzip noch niemals jemand getrunken haben, so wie der neben den Ölkanistern steht. Aber in Tankstellen kommt alles vor. Trotzdem glaube ich nicht, daß es wirklich Tankstellen gibt. Höchstens vielleicht wegen ein paar unentwegter BMWs, aber nicht wegen mir. Ich könnte auch woanders tanken.

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