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Kampf um die türkisch-irakische Grenze

■ Zum zweiten Mal sollen türkische Soldaten die PKK im Nordirak vernichten

Salahadin (taz) – Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre stehen Tausende türkische Soldaten im Norden Iraks. Bereits 1992 marschierte die türkische Armee in das von irakischen Kurden kontrollierte Gebiet ein, angeblich um der von dort aus operierenden PKK einen vernichtenden Schlag zu bereiten. Daß sich die Guerilla dort in kurzer Zeit wieder etablieren konnte, liegt unter anderem am Krieg der irakisch-kurdischen Parteien: „Er hat zu einem Machtvakuum in der Grenzregion geführt“, sagt Rosh Nuri Shaways, Politbüromitglied der „Kurdischen Demokratischen Partei“ (KDP) Massud Barsanis. Seit der Krieg zwischen KDP und der „Patriotischen Union Kurdistans“ (PUK) Dschalal Talabanis vor fast einem Jahr ausbrach, habe die KDP 1.500 Peshmerga aus jenem Grenzgebiet abgezogen, in dem sich dann die PKK festsetzte.

Das Gebiet mit seinen Tausenden von Höhlen und Schluchten ist kaum zu kontrollieren. Nicht einmal die irakische Armee war dazu in der Lage. Dort, wo sich jetzt türkische Soldaten und die PKK bekämpfen, haben in den achtziger Jahren irakisch-kurdische Peshmerga der irakischen Armee monatelang standgehalten. „Die Grenzen waren für uns nie ein Hindernis“, erinnert sich Shaways, der damals Partisanenführer war.

Auch die marode wirtschaftliche Lage des Nordirak nützte der PKK. Die Bauern, die nach 1991 in ihre wiederaufgebauten Dörfer im abgelegenen Grenzgebiet zurückkehrten, haben ein hartes Los. Ihre Felder sind klein, der Winter ist lang, und auch in den näheren Städten gibt es für sie keine Verdienstmöglichkeiten. Die Arbeitslosigkeit im Nordirak beträgt 90 Prozent. Da bietet die PKK mit Schmuggel, Waffenverkauf und Haschischanbau willkommene Einkommensmöglichkeiten. „Es gibt fast kein Dorf, das nicht irgendwie mit der PKK wirtschaftliche Kontakte hat. Es kommt nicht von ungefähr, wenn die Türkei sagt, alle Dörfer im Grenzgebiet seien PKK-Dörfer“, erklärt ein junger kurdischer Intellektueller. Die einen kooperierten freiwillig mit der PKK, andere würden dazu gezwungen. Die bei den Bewohnern des Grenzgebiets überall anzutreffende Distanzierung von der PKK schwindet oft bei einem längeren Gespräch. Statt dessen taucht Verständnis, manchmal sogar Bewunderung für die PKK auf.

KDP-Chef Barsani erklärt, er wolle die PKK weder bekämpfen, noch gemeinsam mit türkischen Soldaten die Grenze schützen. Er verlange von der PKK nur, von türkischem Boden aus zu operieren. Von der türkischen Regierung fordert er finanzielle Hilfe, um die zahlreichen zerstörten Dörfer in besonders abgelegenen Grenzregionen aufzubauen. „Es gibt viele Menschen, die es nicht wagen, zurückzukehren – gerade wegen des Konfliktes zwischen der Türkei und der PKK. Könnten diese Leute auf ihrem angestammten Boden leben, würden sie selbst für Recht und Ordnung sorgen“, meint der KDP-Vorsitzende. Es sei „wie bei einem Haus. Solange es leer ist, gehen alle ein und aus. Wird es jedoch bewohnt, getraut sich niemand mehr so schnell, es ungefragt zu betreten.“

Zu weiteren Details einer Grenzkontrolle schweigt sich Barsani derzeit noch aus. In der nächsten Woche soll eine KDP-Delegation zu Verhandlungen darüber nach Ankara reisen. Eine mögliche Forderung der KDP deutet deren Führungsmitglied Rosh Nuri Shaways an. Er warnt, daß irakische Kurden, sollten sie zum Grenzschutz eingesetzt werden, großzügig entlohnt werden müßten. Anderenfalls würden sie sich dem einträglichen Schmuggel zuwenden und alles beginne von vorne.

Allerdings glaubt kaum ein Funktionär von KDP oder PUK, daß die irakischen Kurden die Türkei umfassend vor der PKK schützen können und sollen. „Solange die Grundprobleme in der Region nicht gelöst sind, das heißt die Unterdrückung der KurdInnen in der Türkei und der Machtkampf zwischen der PUK und KDP bei uns, wird es die PKK immer geben und niemand wird sie daran hindern können, sich wieder irgendwo im Nordirak festzusetzen“, erklärt Sellam Khan, Sohn eines Clanführers in der Grenzregion und Mitglied der PUK. Cristina Karrer

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