: „Die Beratung ging ziemlich hoppladihopp“
■ Verhandlung gegen NPD-Chef Deckert: Schöffin erhebt schwere Vorwürfe
Zum dritten Mal wird morgen gegen den NPD-Chef Günter Deckert wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß verhandelt, diesmal in Karlsruhe. Wegen der Leugnung des Massenmordes der Nazis an Juden war Deckert zweimal vom Mannheimer Landgericht zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt worden – zweimal hatte der Bundesgerichtshof diese Entscheidungen aufgehoben. Zuletzt geschah dies im Dezember wegen der skandalösen Urteilsbegründung der Mannheimer Richter, allen voran Rainer Orlet. Mit ihrer unverhohlenen Sympathie für Deckert, der unter anderem als „verantwortungsvolle Persönlichkeit“ bezeichnet wurde, sorgten die Richter weltweit für Empörung. Vera Klug (48) war Schöffin dieser Mannheimer Strafkammer unter Orlet. Nach Beratungen mit ihrem Anwalt sprach sie mit der taz.
taz: Was hat Sie bewogen, jetzt an die Öffentlichkeit zu gehen?
Vera Klug: Es wurde immer wieder gefragt: Wo waren die Schöffen? Die haben beim Urteil doch mitgewirkt! Das hat mich geärgert. Ich war ja schon bei der Beratung anderer Meinung.
Wie verlief die Beratung?
Gleich zu Beginn hat Orlet gesagt: Wir wollen keinen Märtyrer aus Deckert machen, wir wollen die Sache möglichst runterhalten. Ich habe gesagt, nee, ich bin der Ansicht des Staatsanwaltes. Da sagte Orlet, der Staatsanwalt sei sowieso ein Querulant! Ob ich jetzt Deckert, nur weil er eventuell falsch übersetzt hat, ins Gefängnis stecken wolle? Der Mann wäre doch jetzt gewarnt und würde sich vermutlich vorsichtiger verhalten. Ich habe zu Orlet gesagt: Der hat schon so viele Schüsse vor den Bug gekriegt, der ändert sich nicht mehr! Aber er meinte: Doch! Und das wurde dann schlicht und ergreifend niedergeschrieben.
Wie war die Atmosphäre bei der Beratung?
Es ging ziemlich hoppladihopp. Das Ganze hat mit Sicherheit nicht länger als eine halbe Stunde gedauert, wobei die meiste Zeit darauf verwandt wurde, die schriftlichen Sachen zu erledigen. Am Schluß habe ich Orlet gefragt: Für was sind denn Schöffen überhaupt da, wenn ihre Meinung nicht gefragt ist? Er hat mich groß angeguckt. Ich habe den Eindruck, er will die Schöffen möglichst kleinhalten, sie sollen sowenig wie möglich sagen.
Waren Sie nach der Urteilsfindung frustriert?
Sehr! Ich bin nach Hause gekommen und habe zu meinem Mann gesagt, ich hab so einen Hals, was soll der Quatsch überhaupt! Interview: Bernd Oehler
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