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Von linken Turnschuh-Yuppies umzingelt

■ Zehn Jahre privates Fernsehen, aus der Perspektive der Habenichtse betrachtet

Er hat sie natürlich alle schon in jungen Jahren gekannt, den Horst Stern, Peter Merseburger, Ernst Dieter Lueg, Friedrich Nowottny und viele andere Journalistenkollegen, die später beim Fernsehen Karriere machten.

Gleich zu Beginn seines Büchleins reiht Bert Schnitzler Name an Name. Das bringt schon mal viereinhalb Seiten und hebt die eigene Bedeutung. „Der goldene Flop“ heißt das famose Werk, Untertitel: „Privates Fernsehen in Deutschland“, erschienen in der Reihe Ullstein Report. Zaghaft versucht der Verlag den Anschein zu erwecken, es handele sich um ein Sachbuch.

Sachlichkeit ist freilich Schnitzlers Sache nicht. Vielmehr geht es ihm um einen Rundumschlag gegen Linke, Turnschuh-Yuppies „mit winzigem Ohrring und Dreitagebart“, um Medienaufsteiger, ausgestattet „mit der Lizenz zum Tölpeln“, und überhaupt alle, die ihm in die Quere kamen beim Versuch, mit seiner „Privaten Bayrischen Wirtschafts-Hörfunk/TV Programmanbieter- und Produktionsgesellschaft mbH“ ein wenig teilzuhaben an der schönen neuen, vor allem lukrativen Medienwelt.

Vom Winde verwirrt, verheddert sich der Autor aufs aberwitzigste in der eigenen Argumentation, schnaubt wider sozialdemokratische Politiker, weil sie die Einführung des privaten Rundfunks verzögert haben und echauffiert sich im gleichen Atemzug über das flache Niveau, „den Programm- Mist“ der nach langem Widerstandskampf gegen „sehr wenig tolerante linke Betreiber“ des öffentlich-rechtlichen Monopols endlich doch noch zugelassenen kommerziellen Anbieter. Die Feinde heißen Peter Glotz, Helmut Markwort, Helmut Thoma; das Wohlwollen des erklärten CSU-Sympathisanten Schnitzler gehört hingegen ausgerechnet Leo Kirch, der „heute marktwirtschaftlich“ handelt und gegen Anwürfe des Mitbewerbers Thoma in Schutz genommen werden muß: „... ob Thoma weiß, daß die Kirch-Tochter Unitel pro Jahr 700 Stunden qualitativ hochwertige Musikprogramme herstellt?“

Der Name Kirch fällt aber gerade nicht, wenn Schnitzler über „phantasielose Serien, von US- Beispielen abgekupfert“, wettert, wenn er scheinheilig die „Menschenverachtung von Thoma und Genossen“ anprangert und „publizistische Verantwortung“ und „journalistische Ethik“ einfordert. Mit Wonne tituliert Schnitzler RTL als „Orgasmussender“, vermeidet aber tunlichst jeden Hinweis auf die kontinuierlichen wochenendlichen Nudistenschienen im Sat.1-Programm. Schnitzler schlägt so manche abenteuerliche Volte: „Und Leo Kirch, der Vielgeschmähte. Sein Haus, vielmehr Sat.1, ist mit mir nicht immer fair umgegangen. Aber das lag selbstverständlich nicht an Kirch persönlich.“

Selbstverständlich. Machtstrukturen und politische Verflechtungen interessieren den Münchner Lehrbeauftragten für Kommunikationswissenschaft nur, wenn sie in sein paranoisches Weltbild passen und personalisiert werden können. Fakten zieht er rein willkürlich heran, verdreht sie auch schon mal um einige Grade und sucht ein ums andere Mal sein Heil in unsachlicher Polemik. Mehr als fadenscheinig ist sein lachhafter Versuch, dem, scheint's, mit Furor niedergeschriebenen Geschwall durch einen Anmerkungs- und Zitatapparat auch noch wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. Das geht dann so: „Egon Bahr soll einmal gesagt haben ...“, Quelle: „Dr. Edmund Stoiber in einem Fernsehinterview am 26.11. 84“.

Zu den wenigen Gerechten der verkommenen Medienbranche zählt der Autor selbst, der sich in der Opferrolle gefällt und sich selbst als „armen Schlucker“ und „Habenichts“ hinstellt, als Unschuldslamm mit „naiven Vorstellungen“, als den „kleinen Leuten im Geschäft“ zugehörig. Auf der letzten Seite tritt er schließlich gar als Vertreter der edlen Kaste der „Mahner“ auf, der „sprechenden und schreibenden Unbequemen“, die „im Rückblick auf dieses geschundene Jahrhundert ohnehin nie viel zu sagen gehabt“ haben. Sollten uns durch dieses ominöse Schweigegebot ähnliche Ergüsse wie der vorliegende erspart geblieben sein, man gerät fürwahr in Versuchung, es noch im nachhinein gutzuheißen. Harald Keller

Bert Schnitzler: „Der goldene Flop. Privates Fernsehen in Deutschland“. Reihe Ullstein Report, 240 Seiten, 24,90 DM.

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