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■ In Las Vegas geben Schulz und Foreman ein Volksstück:Um 4.30 Uhr wird zurückgeboxt!

Was in den USA und in Las Vegas keinen, schon gar nicht George Foremann, auch nur im geringsten interessiert: Ein gewisser Axel Schulz aus Bad Saarow fordert heute nacht einen Schwergewichtsweltmeister; wie Max Schmeling einst im Juni 1930. „Suchen Sie Ihr Glück in Amerika“, hat der Max dem Axel geraten, und das tut der nun. Das heißt: Eigentlich tut er es nicht, ihm wird getan. Der gelernte Mechaniker befindet sich zwar auf einem sogenannten Kreuzzug. Doch seiner ist es nicht. Den Buben, der Heinz Rühmann und Kohlrouladen so gern mag wie andere Klischees, hat man vorgeschickt. Und wenn er das unglaubliche Glück haben sollte, den schweren, alten Prediger Foreman einmal voll zu treffen, dann möge der Herr mit ihm sein. Und mit uns. Es wird das Boxen demnächst so wenig aufzuhalten sein wie der allenthalben, nun ja, populärer werdende Geschmack. Warum nicht der Volkssport Boxen, wie fälschlich überall erzählt wird, wohl aber das Volksstück im Lande blüht und gedeiht? Hat mit Henry Maske zu tun, doch nur oberflächlich. Wir sagen äußerst betroffen nur: moralische und kulturelle Verwahrlosung! Trash! Trash! Trash! Wie Focus, Juhnke, Beckmann, Lindenstraße.

Daß Boxen die großen Gefühle wecke, wird bald nicht einmal mehr dreist geflunkert werden müssen. Siehe: Die handelsübliche Inszenierung bekäme selbst und gerade Dieter „Thomas“ Heck hin: Es wummert alles, was entfernt wagneresk und hymnisch dünkt, es wird Kopf unter Kutte hinter einem Banner eingezogen, es werden unsinnigerweise doch keineswegs unabsichtlich die Nationalhymnen gebraucht, da wird geschrien, gebetet und schließlich geopfert. Es ist so: Mit dem einen, befreienden Schlag in die Fresse des Bösen, der gern auch nur der Andere sein mag, ejakuliert kollektiv die von der brennenden Sehnsucht nach Spektakel und Gemeinschaftsgefühl getriebene Masse. Hört sich gut an? Apropos „brennend“: Die Feuerzeuge (Feuer! Feuer! Reinige!), die es hochzuhalten gilt, werden bisweilen gar vom Fernsehsender RTL zur Verfügung gestellt.

Daß das Fernsehen hinter allem steckt, wollen wir nicht behaupten: Daß sich da zwei gesucht und gefunden haben aber vermuten. RTL hat das Boxen designt wie dem Steiner-Peter sein Stadl. National. Und die Öffentlich-Rechtlichen machen mit und schwadronieren, wie gestern abend die ARD, in alter Milieuromantik von der „Chance seines Lebens“, „sich selbst besiegen“ und derlei Unfug mehr. In einer offenbar perfekten Symbiose zwischen Medium und Branche geht es aber letzlich auch um mehr als Werbeinseln zu verkaufen: Die ordinären Gefühle gilt es als großes Erlebnis durchzusetzen. In letzter Konsequenz: Das Ordinäre als soziokulturellen Fortschritt auszuweisen. Und? Es wirkt schon. Um 4.30 Uhr, so flüstern auch wir uns seit Tagen mit dämlichem Grinsen zu, wird zurückgeboxt! Peter Unfried

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