piwik no script img
taz logo

Radovan Karadžić regelt den Flugverkehr

Serbenchef will Flüge mißliebiger politischer Delegationen nach Sarajevo grundsätzlich verbieten / Kontaktgruppen-Mitgliedern Fahrt vom Flughafen ins Stadtzentrum verweigert  ■ Aus Split Erich Rathfelder

Radovan Karadžić, der Führer der bosnischen Serben, hat am Wochenende weitere Restriktionen für den Flugverkehr von und nach Sarajevo angekündigt. In der Zukunft sollen auf der seit zwei Wochen ohnehin unterbrochenen Luftbrücke lediglich Lebensmittel, nicht jedoch Personen befördert werden. Kranke, Medikamente, Journalisten und Zivilisten sollen die Flugzeuge nicht mehr benutzen können. Sogar dem UNO-Vermittler Yasushi Akashi, zwei Vertretern der Bosnien-Kontaktgruppe sowie zwei anderen Diplomaten wurden von serbischer Seite Schwierigkeiten gemacht. „Wir werden in Zukunft keiner politischen Delegation mehr erlauben, unseren Flughafen zu benutzen und ihre einseitige, von Vorurteilen geprägte Politik fortzusetzen“, sagte der Serbenführer.

Karadžić begründete seine Entscheidung mit der neuen UN-Forderung, Rest-Jugoslawien müsse seine Grenze zu den serbischen Landsleuten in Bosnien hermetisch abriegeln. Michael Steiner aus Bonn und Richard C. Frazier aus Washington, die für die Kontaktgruppe mit der bosnischen Führung verhandeln wollten, hatten fast 24 Stunden vergeblich auf eine serbische Genehmigung zur Fahrt ins Zentrum von Sarajevo gewartet und die Stadt schließlich unverrichteter Dinge wieder verlassen. Damit haben die Serben bereits zum zweitenmal die Reisen von Kontaktgruppen-Vertretern verhindert. Somit ist möglicherweise auch der letzte Versuch, Bosniaken und Serben doch noch zur Verlängerung des Ende April auslaufenden Waffenstillstands zu bewegen, gescheitert.

Die humanitären Flüge sollen gemäß den Forderungen der serbischen Belagerer von nun an ohne Passagiere abgewickelt werden. Bisher erhielt die serbische Seite die Passagierliste von der UNO vorab ausgehändigt, so daß sie über den Reiseverkehr von und nach Sarajevo bestens informiert war. Die Vermutung, daß in den letzten Monaten Sarajevo anfliegende Flugzeuge mit Schüssen zur Umkehr gezwungen wurden, weil der serbischen Seite „nichtgenehme“ Personen transportiert wurden, ist nach Worten von UNO-Sprecher Gunness „keineswegs auf Sand gebaut“.

Die neuen „Regeln“ Karadžićs sind offenbar nur ein Teil der härteren serbischen Gangart in Ex-Jugoslawien. Der Führer der kroatischen Serben in der Krajina, Milan Martić, hat am Freitag die Schließung der gerade erst wieder eröffneten Autobahn zwischen Zagreb und Belgrad ab Montag angekündigt. Belgrad drohte gleichzeitig, den Kontakt mit den westlichen Vermittlern ganz abzubrechen. Daß die Arbeit der Journalisten nun auch in Sarajevo erschwert wird – in die bosnischen Enklaven dürfen aufgrund der serbischen Haltung Journalisten schon seit längerem nicht mehr reisen – bedeutet nach Ansicht bosnischer Beobachter, daß Karadžić im Vorgriff auf die erwartete bosnische Offensive nach Ablauf des Waffenstillstandsvertrags einen Angriff auf die Stadt plane.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen