piwik no script img

Geldstrafen - das merken sich die Herren

■ Gegen Wohnungsleerstand gibt es genügend Gesetze - die Bezirke müssen sie nur anwenden / Interview mit Hugo Holzinger, Leiter des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (LAROV)

taz: In Berlin stehen trotz Wohnungsnot 15.000 Wohnungen leer, rund 10.000 davon in Ostberlin. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse gelten dort als Hauptursache für den Leerstand. Müssen wir damit leben, bis in einigen Jahren alle Rückübertragungsansprüche abgearbeitet sind?

Holzinger: Es gibt schon heute genügend rechtliche Möglichkeiten, Leerstand zu beseitigen. Berlin hat das schärfste Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsleerstand.

Gilt das auch für restitutionsbefangene und notverwaltete Häuser in Ostberlin?

Ja, das Gesetz zur Beseitigung der Zweckentfremdung von Wohnraum greift auch dort.

Voraussetzung für die Vermietung ist die Instandsetzung der Wohnungen, und das können die Wohnungsbaugesellschaften nicht, weil ihnen durch das Vermögens- und Entschädigungsgesetz die Hände gebunden seien.

Es gibt im Vermögensgesetz ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot.

Aber warum machen die Bezirke davon keinen Gebrauch?

Das ist für mich unfaßbar, aber da bin ich der falsche Ansprechpartner. Das ist ein Problem der Bauverwaltungen, und ich will mich nicht in deren Zuständigkeit einmischen.

Die Wohnungsbaugesellschaften sagen, sie haben kein Geld für Instandsetzung. Nach dem Vermögensgesetz müssen sie hausbezogen abrechnen, also ist in vielen Fällen kein Geld da für Instandsetzung.

Wir haben in Berlin soviel Geld für Modernisierung und Instandsetzung bereitgestellt wie in keiner anderen deutschen Stadt. Dieses Jahr stehen 700 Millionen Mark für die Stadterneuerung bereit.

Warum werden damit die leerstehenden Wohnungen nicht instand gesetzt?

Das ist nicht meine Aufgabe. Ich als Mitarbeiter des Finanzsenators kann nur feststellen, das Geld ist im Haushalt verankert. Es ist Aufgabe der Bauabteilungen, dieses Geld für die Beseitigung von Wohnungsleerstand einzusetzen und die bereitgestellten rechtlichen Instrumentarien zu nutzen.

Das Geld muß sinnvoll eingesetzt werden, und da muß natürlich abgewogen werden, ob man damit gegen den Willen von Mietern in Marzahn Balkone zu Wintergärten umbaut oder ob man mit diesem Geld im Prenzlauer Berg leerstehende Wohnungen instand setzt. Das Instandsetzungsgebot betrifft den jetzigen Verfügungsberechtigten. Wenn der Bezirk anordnet, hier muß instand gesetzt werden, muß die Wohnungsbaugesellschaft dies tun.

Aber es tut sich ja nichts. Die Wohnungsbaugesellschaft klagt, wir haben kein Geld. Der Baustadtrat, nehmen wir mal Herrn Klipp im Prenzlauer Berg, hat keine Leute, die das durchsetzen.

Ich sitze in den Aufsichtsräten von zwei Wohnungsbaugesellschaften, und da sehe ich das intensive Bemühen, gegen Leerstand vorzugehen. In Weißensee hat der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft dafür gesorgt, daß nahezu keine Wohnung leer steht. Und in Weißensee sind die Bedingungen nicht viel anders als im Prenzlauer Berg.

Bei den notverwalteten Häusern gibt es offenbar häufig das Problem, daß sich Eigentümer nicht melden oder die Erbengemeinschaften zerstritten sind. Dadurch stehen Häuser leer und verfallen. Muß man da nicht fünf Jahre nach der Vereinigung sagen, jetzt sind die Eigentumsrechte verwirkt, weil sich niemand darum gekümmert hat? Muß es da nicht die Möglichkeit zur Enteignung geben?

Es geht viel einfacher und schneller. Wir dürfen nach dem Vermögensgesetz in solchen Fällen gesetzliche Vertreter bestellen. Die nehmen dann alle Rechte und Pflichten des Eigentümers wahr. Das haben wir in Tausenden von Fällen schon getan.

Aber offensichtlich gibt es, nehmen wir wieder das Beispiel Prenzlauer Berg, Probleme. In 18 notverwalteten Häusern stehen dort 170 Wohnungen leer und verfallen...

Das Problem von Herrn Klipp ist, er redet zu häufig mit der Presse und zu wenig mit mir. Wenn er mir Roß und Reiter nennt, kann ich, wenn es rechtlich geboten ist, einen gesetzlichen Vertreter bestellen. Es gibt aber auch Häuser, wo gar kein gesetzlicher Vertreter bestellt werden muß, weil die Eigentümer bekannt sind. Ich bin mit dem Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg, Klaus Nicklitz, übereingekommen, die Eigentümer gerichtlich dazu zu zwingen, ihre Eigentümerpflichten wahrzunehmen.

Die Wohnungsbaugesellschaften berufen sich auf ein Urteil des Amtsgerichts Mitte, das ihnen untersagt hat, Mietverträge für notverwaltete Häuser abzuschließen.

Deshalb müssen die Eigentümer verpflichtet werden, dies selbst zu machen. Und wenn der Eigentümer die Wohnungen leer stehen läßt, kann nach dem Zweckentfremdungsbeseitigungsgesetz ein Treuhänder bestellt werden. Der Treuhänder besitzt dann alle Vollmachten, um Zwangsmietverträge abzuschließen. Diese Mietverträge sind uneingeschränkt rechtswirksam. Ich verstehe das nicht. Es gibt in keiner deutschen Stadt so viele mieterschützende Vorschriften wie in Berlin. Aber anstatt daß die dafür Verantwortlichen diese Regeln anwenden, jammern sie, daß Wohnungen leer stehen.

Notfalls, so haben sie vorgeschlagen, soll die Polizei mittels Allgemeinem Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) den Leerstand beseitigen.

Ich habe von polizeirechtlichen Maßnahmen gesprochen. Das heißt aber nicht, daß uniformierte Polizisten jetzt in die Wohnungen eindringen. Auch die Zwangsvermietung ist im Beamtendeutsch eine polizeirechtliche Maßnahme. Schauen Sie sich den Baustadtrat von Tiergarten an. Horst Porath demonstriert regelmäßig, wie mit Zwangsgeldern und Zwangsvermietungen Leerstand beseitigt werden kann. Dort geht es jedoch um private Eigentümer. Oder nehmen Sie Friedrichshain, dort hat das Wohnungsamt wegen illegalen Leerstands bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain 60.000 Mark per Gerichtsvollzieher zwangsvollstreckt. Das merken sich die Herren. Das wirkt viel mehr als jeder Zeitungsartikel. Interview: Christoph Seils

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen