Ein Raum für sich: Die Pariser Schule quittiert
■ Mark Tansey im Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen
Fällt eigentlich die Darstellung der Kapitulation noch in das Genre Schlachtengemälde? Jedenfalls ist Mark Tanseys Bild „Triumph der New York School“ so angelegt, als Aussicht vom Plateau, mit noch qualmenden Bränden in der verwüsteten Grabenlandschaft hinter der Zentralszene im Vordergrund. Dort sieht man einen Mann in Rückenansicht ein Blatt auf dem Tisch signieren (die Tischdecke gibt dem Ganzen, als Freiluftszene, etwas leicht Albernes). Auf der anderen Seite des Tisches schaut ein Befehlshaber, die Hände in den Taschen, mit einem Grinsen der Genugtuung zu. Eine Kind würde wohl fragen, welcher Krieg hier zu Ende gegangen sei.
Der Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen hat in der Düsseldorfer Kunsthalle am Grabbeplatz einen wunderbaren Dachraum, mit fünf Sheddächern, die Oberlicht hereinschaufeln. Dieses Mal ist der Boden mit Preßspanplatten ausgelegt, und zwei Wände sind so eingezogen worden, daß das Bild, der „Triumph der New York School“, in der Mitte eines dramatischen Keils steht, als der der Raum erscheint, den das Bild für sich hat.
In rötlichem Ton gehalten mit deutlichen Kontrasten, wirkt das Ölbild wie eine Fusion aus Kohle- und Rötelzeichnung. Es hat also, bei aller Pracht, etwas Vorläufiges – den Charme einer soliden Studie.
Die Installation des Kunstvereins weist darauf hin, daß hier in „eigener Sache“ verhandelt wird: Die New Yorker Schule – der Abstrakte Expressionismus – läßt sich den Sieg über die Pariser Schule quittieren. Breton, so eine Interpretation, unterschreibt die Kapitulation. Clement Greenberg, Kritiker und Kurator, führt die Gegenseite an. Sieht man den amerikanischen Panzerspähwagen und die Pferde und Lanzen der Franzosen, ist klar, was Tansey impliziert: Der Sieg ist einer der Nachgeborenen über die Vorfahren, einer des psychologischen Informels über die Geschichte der Stile.
Vor allem aber ist der Sieg zweifelhaft. Denn so, wie wir ihn zu sehen bekommen, ist er gewiß eher surreal als abstrakt.
Tansey, 1949 in Kalifornien geboren, 1975 bis 1978 Studium der Malerei am Hunter College, in New York lebend: Der Maler richtet seine kuriose Interpretation natürlich an ein Kunstpublikum, das mit der Hybris der Abstrakten längst abgerechnet hat. Auch wer die Bilder von Rothko, Reinhardt, Pollock und Newman schätzt, weiß, daß ihre Durchsetzung am internationalen Markt mit der unbestreitbaren politischen Dominanz der USA nach dem Zweiten Weltkrieg zu tun hat. Tanseys Bild – indem er diese Maler und andere als GIs vorführt – ironisiert nun gerade das, was auf dem Bild nicht zu sehen ist: die metaphysische Apologie der New York School.
Noch komischer als der Aufzug der Sieger ist die melodramatische Gruppe der Verlierer. Der Maler, der ja nur im Auftrag der Sieger malen kann und offensichtlich den Fortgang der Geschichte nicht kennt, sympathisiert mit uhrer altertümlichen Eleganz. Matisse steht als introvertierter Zivilist in der französischen Gruppe, Picasso gibt einen bizarren Imperator im Pelz, und ganz am Rande der Gruppe lächelt ein schmaler Herr, der als Marcel Duchamp identifiziert werden kann: ein Spion?
An einer Stelle ist der Maler Tansey dann doch abstrakt geblieben: Die Kapitulationserklärung ist ein weißes Blatt. Die metaphysische Disposition der Sieger ist der Text der Geschichte, der sich irgendwann gegenkehrt. Ulf Erdmann Ziegler
Mark Tansey: „Triumph der New York School“. Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf, bis zum 7. Mai. Katalogbuch 28 DM
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