: Italiens WählerInnen entdecken die Linke wieder
■ Überraschend gutes Abschneiden der Berlusconi-Gegner und Antifaschisten bei den Regionalwahlen / Linksdemokraten stärkste Partei / Die Rechte schwört Rache
Silvio Berlusconi will es noch gar nicht wahrhaben: Die Wahlen in 15 der 20 Regionen Italiens, vergleichbar etwa mit unseren Bundesländern, jene Wahlen, die er zur Abrechnung mit jenen erklärt hatte, die ihn im Dezember gestürzt hatten, sind für die Rechte gar nicht gut gelaufen.
Sonntag nacht hatten die Wahlnachfragen die „Forza Italia“-Bewegung Berlusconis noch deutlich vor der anderen großen Formation, den Linksdemokraten (PDS), gesehen. Doch als gestern die Auszählung begann, wurden die Gesichter sowohl im Hauptquartier Berlusconis wie bei der aus der neofaschistischen MSI hervorgegangenen Nationalen Allianz (AN) immer länger. Nicht nur, daß die Linksdemokraten mit 24,9 Prozent die Forza Italia (23,1 Prozent) doch deutlich hinter sich gelassen haben: Auch die äußerste Rechte kam viel weniger voran, als die Meinungsumfragen angekündigt hatten. Die AN blieb bei gerade mal 15 Prozent hängen, kaum ein Prozent mehr als bei den Nationalwahlen im vergangenen Jahr.
Anders am linken Rand, wo die radikale „Rifondazione comunista“ trotz des schon erklecklichen Ergebnisses der halblinken Vettern der PDS nahe neun Prozent kam, eine Zunahme von zwei Prozent. Überraschung auch in der Mitte: Die vor kurzem auseinandergebrochenen Ex-Christdemokraten finden offenbar ihre Wähler eher auf der linken Mitte denn rechts. Der in den „Pool der Freiheiten“ Berlusconis eingezogene Teil der Partei ist mit gerade noch vier Prozent deutlich hinter den sieben Prozent der „Rebellenfraktion“ zurückgeblieben, die unter dem Namen „Popolari“ unabhängig blieb oder einzelne Bündnisse mit der Linken einging.
Überraschend gut gehalten hat sich auch die oberitalienische „Liga Nord“, die seinerzeit Berlusconi gestürzt und sich ebenfalls gespalten hatte; sie ging von neun auf sechs Prozent zurück. Die bei den Wahlen voriges Jahr gescheiterten Grünen erhielten fast vier Prozent. Von den 15 Regionalpräsidenten gehen mindestens sieben an die linke Mitte, obwohl diese vielerorts nicht mit der Unterstützung der Linksextremen rechnen konnte.
Eine Wertung des Gesamtresultats, zumindest im Hinblick auf die für spätestens im Herbst erwarteten vorgezogenen Parlamentsneuwahlen – ist dennoch nicht leicht: ein neues Wahlrecht mit einer undurchschaubaren Mischung von Verhältnis- und Mehrheitsbestimmungen und dem Zwang zur Vorab-Bekanntgabe von Koalitionen hat bei den Wählern heftige Verwirrung angerichtet, und aufgrund eben dieser Besonderheiten sind die Regionalwahlen auch nur sehr eingeschränkt mit den Parlamentswahlen zu vergleichen.
So bleibt die einzige Möglichkeit der Wertung ein Vergleich mit den vor der Wahl geäußerten Erwartungen. Dabei hatte die Linke stark heruntergespielt – Linksdemokratenchef Massimo D'Alema hatte es schon als „schönen Erfolg“ definiert, sieben Regionalpräsidenten stellen zu können. Ein nicht allzu großer Abstand zur Rechten sei „hinnehmbar“.
Umgekehrt hatte Berlusconi seine Forza Italia – so die trotz Umfrageverbots in die Welt gesetzten Gerüchte seiner Wahlkampfmanager – bei 30 Prozent gesehen. Wiederum eine Tür weiter hatte sich die Nationale Allianz unter ihrem jungen Chef Gianfranco Fini gar schon auf ein Gleichziehen mit Berlusconi und damit die Übernahme der Führerschaft im Rechtsblock vorbereitet. Doch ähnlich wie in Frankreich stand plötzlich wieder die Linke im Raum, wurde die PDS ohne alle Pakte stärkste Partei. Silvio Berlusconi und die Seinen haben nun offen Rache geschworen – obwohl die Wähler dem Aufruf, durch massenweisen Übergang zur Rechten den Willen zu Parlamentsneuwahlen auszudrücken, nicht gefolgt sind, wollen sich Abgesandte Berlusconis und Finis zu Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro begeben und erneut Neuwahlen fordern. „Und da werden wir's denen schon zeigen“, erklärte trotzig Berlusconi-Sprecher Tajani. Die Linke versucht inzwischen herauszubekommen, wie ihr geschehen ist, denn erwartet hatte sie dieses Vertrauen nicht. Und so blieb denn der Kommentar eines regionalen Wahlkampfleiters der PDS die wohl erhellendste Aussage des Tages nach der Wahl: „Warum wir gewonnen haben? Weiß ich auch nicht. Aber es ist sehr schön.“ Werner Raith
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