: „Überfallkommando“ gegen Clara Zetkin
■ SPD ist sauer auf CDU wegen Straßenumbenennungen, die nicht abgestimmt sind / Bündnisgrüne und PDS protestieren
Ein „Überfallkommando in der Osterzeit“ nennt die SPD die Anweisung der Senatsverwaltung für Verkehr, fünf weitere Straßennamen in Ostberlin zum 1. November umzubennen. Das verstoße gegen die Absprache in der Großen Koalition, bis zu den Wahlen zum Abgeordnetenhaus am 22. Oktober keine Änderungen von Straßennamen mehr vorzunehmen, so Fraktionssprecher Herbert Beinlich. Zu einem Konflikt wurde das Thema auch auf der gestrigen Senatssitzung. Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) erklärte, ihre Partei werde die vorgesehene Umbenennung der Clara- Zektin-Straße „nicht mittragen“.
„Wir sind von Haases Entscheidung überrascht“, sagte Beinlich und fügte ironisch an, er sei froh, daß der Verkehrssenator endlich eigene Entscheidungen fälle, aber gerade diese seien falsch. Er kündigte an, daß die SPD mit dem Koalitionspartner CDU über das Thema reden werde. Bündnis 90/ Die Grünen und PDS protestieren gegen die Entscheidung von Verkehrssenator Herwig Haase (CDU), die Dimitroffstraße, die Hans-Beimler-Straße, die Artur- Becker-Straße, die Clara-Zetkin- Straße und den Bersarin-Platz umzubenennen. Die Antifaschisten und Kommunisten sollen den alten Straßennamen oder Adeligen und SPD-Politikern weichen. Die CDU hält die Umbenennung fünf Jahre nach der Wende für „überfällig“.
Bündnis 90/ Die Grünen bezeichneten die Rückbenennung des Bersarin-Platzes in Baltenplatz als „antirussischen Affront“. Ausgerechnet 50 Jahre nach jenen Tagen, in denen die Rote Armee die Schlacht um Berlin gegen die Nazis entschieden habe, bestimme der Verkehrssenator, daß der Name des ersten sowjetischen Stadtkommandanten aus dem Straßenbild zu verbannen sei. Die PDS nannte Haases Entscheidung „ein Stück aus dem Tollhaus, in dem die CDU der Stadt ihr konservatives Geschichtsbild aufdrücken will“.
Statt der Frauenrechtlerin Clara Zetkin soll die blaublütige Kurfürstin Dorothea geehrt werden, statt Hans Beimler (KPD) Otto Braun (SPD), statt Spanienkämpfer Artur Becker der Ordens-Großmeister Heinrich von Kniprode.
Die Umbenennung der Dimitroffstraße in Danziger Straße hält der Ostberliner CDU-Abgeordnete Günter Toepfer für „dringend“. Toepfer verweist auf „Schweinereien von Dimitroff als Komintern-Chef in Moskau“. Der Antifaschist Dimitroff habe Überstellungslisten an die Gestapo unterschrieben und deutsche Kommunisten verraten.
Die drei betroffenen Bezirke haben Briefe des Verkehrssenators erhalten, in denen ihnen die Umbenennung ankündigt wird. Bis Mitte Mai sollen sie sich nach Angaben des Senatssprechers Michael-Andreas Butz zu den Umbenennungen äußern. Zugleich unterstrich er, daß der Verkehrssenator das Verfahren an sich ziehen und die Namensänderungen gegen den Willen der Bezirke durchsetzen könne. Straßenumbenennungen sind Angelegenheiten der Bezirke, aber in „politisch übergeordneten Fällen“ entscheidet der Verkehrssenator.
Am 14. Juli sollen nach Haases Planung die Straßenumbenennungen im Amtsblatt veröffentlicht und damit rechtskräftig werden. Aber erst für den 1. November, zehn Tage nach den Abgeordnetenhauswahlen, ist die Auswechslung der Schilder vorgesehen. Nach dem Bundeswahlgesetz dürfen kurz vor einem Urnengang keine Straßen umbenannt werden, um Komplikationen bei der Zustellung der Wahlunterlagen zu vermeiden. Rafael Pilsczek
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