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■ betr: „Es geht auch ohne Geld“ von Elke Eckert, taz vom 18. 4. 95
Es geht im Kleinen sicher auch ohne Geld, dies sollte einschränkend zum Bericht gesagt werden. Es ist gut, daß jetzt bei uns an über zehn Orten probiert wird, was in England in über 200 Orten schon lange klappt. In Neuseeland akzeptiert sogar der Finanzminister Entrichtung von Steuern in LETs- örtlichen Verrechnungseinheiten.
Der Unterschied zu den LETs und den Schweizer und von dort zu uns gekommenen TALENT- Tauschringen ist, daß letztere die Guthaben und Schulden auf den Konten mit einer Umlaufgebühr belasten, so daß jede/r möglichst schnell ihr/sein Konto auf Null bringt, das heißt im Ring kauft, Leistungen bezieht oder erbringt. Und genau diese Umlaufgebühr wurde direkt von dem erwähnten „Wörgler Geld“ gelernt. Die LeserInnen werden sich gefragt haben, worin der Unterschied zwischen dem Staatsgeld und dem Wörgler Geld bestand, warum das eine in die Massenarbeitslosigkeit führte und das andere in 13 Monaten 1931/32 die Arbeitslosigkeit um 25 Prozent senkte, die Gemeindefinanzen übersanierte, so daß 130 Kommunen, halb Österreich, beschlossen, auch Kommunalgeld – eben mit Umlaufzwang – herauszugeben. Die Notenbank in Wien wäre mit ihrem Notenmonopol arbeitslos geworden, und nicht nur deshalb mußte Wörgl per Prozeß gezwungen werden, das Kommunalgeld einzuziehen.
Der Unterschied: Das Staatsgeld konnte gehortet werden, und Geldhortung führt in die Krise. Das Wörgler Geld mußte weitergegeben werden, sonst verlor der Inhaber des Scheines die Umlaufgebühr. Der „Weitergabezwang“ aber war das kleine Geheimnis des „Wunders von Wörgl“, von dem die Boulevardpresse schwärmte. Immerhin sollten taz-LeserInnen wissen, daß dies nun gerade der Clou der Theorie des von den einen hochgejubelten, von den anderen verteufelten Kaufmanns Silvio Gesell war. [...]
Daß die Kapitalseite an dieser Verteufelung interessiert ist, leuchtet ein, wenn bedacht wird, daß es Gesell auch um Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ging, er in allererster Linie mit dem Umlaufgeld den Kapitalismus in seinem Kern, dem Geldstreikmonopol, treffen und aus dem Geld, dem Herrn dieser Welt, einen willigen Diener der Arbeit machen wollte, der sich dank der Umlaufsicherung der Arbeit auch ohne Mehrwert/ ohne Zins zur Verfügung stellen muß. Daß die Linke jahrzehntelang und einige noch heute mit den Kapitalisten ins gleiche Horn stießen/stoßen, ist sicher dadurch zu erklären, daß über die Mehrwerttheorie einerseits und über die Marxsche Geld- und Zinstheorie andererseits, die der von Gesell verblüffend ähnelt, keine rationale Debatte geführt, sondern sie meist als religiöses Dogma geglaubt wird. Vielleicht aber kommt über die Praxis des TALENT-Verrechnungsgeldes das Nachdenken über ein nichtkapitalistisches Geld überhaupt in Gang. Georg Otto, Sprecher der Libe-
ralsozialen Aktion und der Libe-
ralsozialen im Bündnis 90/Die
Grünen, Eberholzen
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