: Großkotzigkeit der Atomkonzerne
■ betr.: „Teures AKW von Helmut Kohl“, „Gut gekungelt, RWE!“, taz vom 20. 4. 95
Zum Hohn auf unseren Grundrechtsschutz von Leben, Gesundheit und Besitz erst katastrophenanfällige Atomkraftwerke bauen und dann – wenn wir uns wehren – auch noch Schadensersatz in Milliardenhöhe verlangen. Diese immer mehr um sich greifende Großkotzigkeit der Atomkonzerne verdanken wir unseren Regierenden. Die haben den Konzernherren jahrzehntelang die Füße geküßt.
Im Jahre 1966 hat ein Mitglied der damaligen Bundesregierung den RWE-Konzern um einen „Katalog von Bedingungen“ gebeten, unter denen die Bereitschaft „herausgekitzelt“ werden könnte, doch endlich Atomkraftwerke zu bestellen. Nach sieben langen Wochen erhielt Bonn eine wohlüberlegte, ausführliche Antwort. So fing alles an. Das hat den Umgangston der Atomkonzernherren mit den Politikern und mit dem Staat bis auf den heutigen Tag bestimmt. So gesehen ist der Fall Mülheim-Kärlich nur ein Beispiel von vielen, die folgen sollten.
Ironie des Schicksals, daß dies ausgerechnet unserem Atomideologen Nr. 1 passieren mußte, Helmut Kohl. Seine damalige Landesregierung Rheinland-Pfalz merkte weder, daß Genehmigung zum Bau auf einer Erdbebenspalte erteilt wurde, noch daß trotz der angeblich so hohen deutschen Sicherheitsanforderungen ausgerechnet eine Baulinie genehmigt wurde, die schon 1979 ihre besondere „Eignung“ zum Super-Gau unter Beweis stellte: in Harrisburg im High-Tech-Land USA sieben Jahre vor dem als „Schrottreaktor“ deklassierten Meiler von Tschernobyl.
Mit seinem atomideologischen Ehrgeiz hatte Helmut Kohl aber auch schon vorher ausgesprochenes Pech. Er war als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz extra Stadtverordneter in Ludwigshafen geblieben, um in dieser Doppelfunktion dem BASF-Chemiekonzern zu einem Atomkraftwerk auf Fabrikgelände mitten in Ludwigshafen zu verhelfen. Als der Konzern dann aber noch mal nachrechnete, kam das eigene Atomkraftwerk doch zu teuer. Die Stromkosten rechneten sich nicht. Von da an galt die ganze Fürsorge des frustrierten Atomideologen Kohl einem Atomkraftwerk in Mülheim- Kärlich, egal ob auf Erdbebenspalte und ob nach wirklich sicherer Baulinie. Jetzt haben wir die Bescherung!
Im übrigen ist das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich ein besonders typisches Beispiel für die Macht der Banken im Atomgeschäft. Dieses Atomkraftwerk auf einem Erdbebenloch und nach ursprünglicher Baulinie des Harrisburg-Kastastrophenreaktors gehört der Societé Anonyme nach luxemburgischem Recht. Neben Deutscher Bank, Dresdner Bank und Schweizerischer Kreditanstalt ist das RWE nur Mitgesellschafter und hat das Atomkraftwerk von dieser Societé Anonyme geleast. Bereits seit 1. 1. 1981 laufen die Leasingraten. Der Pachtvertrag wurde zunächst bis 1997 geschlossen. Man staunt immer wieder, wer denn so alles die vom Atomgesetz verlangte Zuverlässigkeit zu besitzen scheint. Die Dresdner Bank ist seit Beginn der siebziger Jahre im Brennstoffkreislauf-Geschäft engagiert. Man sollte mal zusammenstellen, welche Banker und Versicherungsmanager in den „Kontrollgremien“ unserer Atomkonzerne sitzen. Renditeträchtig scheint das Atomgeschäft ja zu sein! Hans Grossmann, Maintal
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