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Wer seinen Mann verläßt, wird rechtlos

■ Opposition will eigenständiges Aufenthaltsrecht für Frauen durchsetzen / Grüne und PDS gegen jede Frist / Ausländergesetz als Instrument von Frauenhändlern

Bonn (taz) – Mit der Durchsetzung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts für ausländische Ehegattinnen und Ehegatten will die Opposition Frauen ohne deutschen Paß vor Abhängigkeiten und Zwangslagen schützen und sogenannten „Heiratshändlern“ das Geschäft erschweren. Gestern debattierte der Bundestag in erster Lesung die jeweiligen Entwürfe von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, PDS sowie Bundesrat, die auf eine Reform des Paragraphen 19 des gültigen Ausländergesetzes zielen. Bislang steht ausländischen Ehefrauen, die mit ihrem ausländischen Ehemann eingereist sind, Deutsche geheiratet haben oder im Rahmen des Familiennachzugs in die Bundesrepublik kamen, lediglich ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu. Erst nach vier in der Bundesrepublik verbrachten Ehejahren (in Härtefällen nach drei Jahren) kann eine Ausländerin ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten.

Nach Meinung der Grünen wird diese Regelung „zum Machtmittel in der Hand von Männern gegen Frauen“. Sobald die Frauen sich von den Männern trennen wollten, könnten diese die Ausweisung veranlassen. „Ausländische Frauen sind oftmals gezwungen, selbst in schlimmsten Gewaltverhältnissen auszuharren, denn eine Flucht ins Frauenhaus werten hiesige Gerichte als Beendigung der ehelichen Gemeinschaft und damit als Anlaß zur Ausweisung“, heißt es im Grünen-Entwurf.

Zudem ist der Paragraph 19 ein willkommenes Instrument in den Händen von Heiratshändlern. Gedeckt durch das Ausländergesetz, können sie ihren Kunden sogar „Umtauschfristen“ von bis zu einem Jahr für die vermittelten Ehefrauen aus Ländern Südostasiens und Osteuropas anbieten: Gefällt die eingeflogene Ehefrau dem Kunden nicht, hilft der Staat, die ungewünschte „Ware“ abzuschieben.

Die weitgehend identischen Anträge von Bündnisgrünen und PDS wollen folglich auf die bislang verlangte Mindestdauer der Ehe (Ehebestandszeit) als Voraussetzung für die Erteilung einer eigenständigen Aufenthaltsgenehmigung verzichten. Bundesrat und SPD-Bundestagsfraktion wollen dagegen die geforderte Ehefrist von vier auf zwei Jahre reduzieren und lediglich bei Härtefällen ganz auf sie verzichten.

In der grünen Fraktion hatte es darüber zuvor heftigen Streit gegeben. Der ursprüngliche Entwurf ihrer Innen- und Rechtspolitiker sah vor, den Frauen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach dreijähriger Ehe unter der Voraussetzung zuzugestehen, daß sie mindestens zwei dieser Ehejahre in der Bundesrepublik verbracht hätten. Die Abgeordneten sagten zu ihrem Vorschlag, sie wollten weder die Scheinehe fördern noch sich an einem Modell der offenen Grenzen orientieren. Erst nach einer Anhörung von Frauenverbänden, die sich alle gegen die Setzung einer Frist aussprachen, einigte sich die Fraktion auf den jetzt eingebrachten Entwurf. Hans Monath

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