: Die mopsfidele Tanzgaleere
■ Das Bremer Chartwunder „Mr. President“: Zwei clevere Technoproduzenten und drei telegene Tanzmäuse rollen vom Doventorsteinweg aus die Hitparade auf/ Auftritt am Weserstadion
„Up'n Away“ von „Mr. President“ ist einer dieser Songs, von denen man beim Zubettgehen hofft, daß sie nicht am nächsten Morgen im Rundfunk laufen, wenn die Radioweckerweckzeit ihr häßliches Haupt erhebt. Denn egal, ob man diesen ebenso professionellen wie banalen Kommerz-Techno liebt oder haßt, man bekommt ihn unmöglich vor der nächsten Schlafperiode aus dem Gehör, wenn er sich erst einmal festgesetzt hat. Aus den Verkaufsregalen haben die Endverbraucherlnnen den Hit aber sehrwohl bekommen; er ist seit Ende letzten Jahres vergoldet.
Was „Mr. President“ von ähnlichen Tanz- und Sing-Grüppchen unterscheidet, ist, daß sie aus Bremen kommen. Eine Stadt, die eigentlich auf den Karten der Musikindustrie nicht eingezeichnet ist, wenn es um hohe Chartplazierungen geht. Tonträger-Multi WEA hatte trotzdem Wind bekommen vom Produzenten/Manager-Team Kai Matthiesen und Jens Neumann und wandte sich an die beiden, als mal wieder eine Dance-Nummer in die Top 20 mußte. Eine gewisse Bekanntheit in der Szene hatten sie sich bereits mit einer „Raumschiff Enterprise“-Techno-Nummer erspielt – alles vom kleinen Studio am Doventorsteinweg aus, wo auch die unentbehrliche Agentur mit dem Türschild „Die Agentur“ ihr PR-Werk treibt, um Bremen in die Charts zu bringen. Zusammen mit dem Songwriter Robin Masters war „Up'n Away“ schnell aufgenommen. Aber jeder kommerziell verwertbare Beat braucht ein bißchen Mädchengesäusel und Männer-Rap, möglichst samt begehrenswerter Körper für die Videoclips. Matthiesen und Neumann trauten sich selbst wahrscheinlich nicht, sich in neonfarbenen Radler-Outfits vor der Kamera zu rekeln.
Vor Mikro und Linse rackerte sich fortan ein gut gebautes Trio aus dem Arbeitsumfeld der Produzenten ab. Um den 28jährigen amerikanischen Rapper Sir Prophet Of Funk tanzten die Bremer Tänzerinnen Lady Danii (21, lange dunkle Haare) und T-Seven (18, kurze blonde Haare) herum und sangen zwischen den Bewegungen. Mit einem Namen wie T-Seven wäre die Bremen-Norderin als Kind wahrscheinlich eine melancholische Außenseiterin geworden. Deshalb hatten sie ihre Eltern auch Judith genannt; ihre Partnerin Lady Danii heißt eigentlich Daniela.
Bald wurde es Sir Prophet Of Funk, der im Elternhaus als George Jones bekannt ist, zu bunt, und er verließ das Projekt, das sich gern als große glückliche Familie inszeniert. Laut Management bekam er Starallüren und wollte im Flugzeug immer vorne sitzen, laut seinem Anwalt wurden er und seine Kol- leginnen von Neumann & Co. wie „Galeerensträflinge“ behandelt. Einiges schien faul im Familienidyll. Die Boulevardpresse wollte etwas über unbezahlte Kostümrechnungen wissen, und zwischen Fädenziehern und Repräsentatorlnnen gab es anfangs keine schriftlichen finanziellen Abmachungen.
Mit dem weiblichen Teil von „Mr. President“ konnte man sich einigen. T-Seven und Lady Danii sangen und tanzten sich fröhlich durch die nächste Single „I'll Follow the Sun“, während der Rap-Part vom Birminghamer Lazy Dee alias Delroy Rennals übernommen wurde.
Wer überregional abräumen will, kann sich natürlich nicht mit Lokalkolorit abgeben. So raven „Mr. President“ in ihren Videos nicht durch Schnoor und Böttcherstraße, sondern eher durch die Straßen Kaliforniens. Dabei tanzen sie schon mal in fahrenden Cabriolets, weshalb sich die Tänzerinnen oft an ihren Rapper anschmiegen müssen, so knapp beschürzt im Fahrtwind.
Die Rechnung ging jedenfalls auf. „I'll Follow the Sun“ wurde zwar noch nicht vergoldet, aber das Debüt-Album „Up'n Away – The Album“ konnte sich recht viel versprechend in den Charts plazieren, und am 5. Mai wird schon die nächste Single ausgekoppelt. Frisch von einer Tournee zurückgekehrt, gönnen sie sich keine Pause. Am Sonntag treten sie wieder in heimischen Gefilden auf und tanzen mit den BremerInnen im Festzelt neben dem Weserstadion in den Mai. Andreas Neuenkirchen
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