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Südafrika und das Kriegsende in EuropaDoch noch ein Endsieg

■ taz-Serie: Was am 8. Mai 1945 außerhalb Europas geschah

Wenige Monate nach Kriegsende hielt im Johannesburger Rathaus Südafrikas die größte Oppositionspartei ihren Kongreß ab. Eine empörte Organisation von Kriegsveteranen, die „Springbok-Legion“, demonstrierte draußen und versuchte, das Gebäude zu stürmen, so daß die Polizei den Abbruch des Kongresses empfahl. Die Partei kam der Aufforderung nach; Parteichef Malan entschlüpfte schließlich durch den Hinterausgang.

Die Veteranen verübelten der Partei, daß sie während des Krieges mit Nazi-Deutschland sympathisierte. Der Zweite Weltkrieg hatte das weiße Südafrika zerrissen; die Regierung war 1939 an der Frage des Kriegseintritts auf Seiten der Alliierten zerbrochen. Gegen den neuen Premier Jan Smuts von der United Party (UP), der die Kriegsteilnahme durchsetzte, agitierte die Nationalpartei (NP) unter dem einstigen Pastor Daniel François Malan, die schon in den 30er Jahren die Schließung der südafrikanischen Grenzen für deutsche Juden gefordert hatte. Die NP sammelte Unterschriften gegen den Kriegseintritt und organisierte ab 1940 eine Massenkampagne „für den Frieden“ – also für die Kollaboration mit Hitler. Zuvor hatte sie Geheimverhandlungen mit dem deutschen Außenministerium geführt und eine Zusage erreicht, daß Südafrika nach einem deutschen Sieg mit einer Vergrößerung um Swasiland, Basutoland (heute Lesotho), Betschuanaland (Botswana) und Südrhodesien (Simbabwe) rechnen könne, wenn es im Gegenzug Südwestafrika (Namibia) herausgäbe.

Es war ein Gesinnungsbund. NP-Führer Malan wetterte 1940, Premierminister Smuts habe Südafrika in eine „jüdisch-imperialistische Kriegsmaschine“ verwandelt; NP-Führungsmitglied Eric Louw sagte 1943, „der briti

sche Liberalismus“ werde die Partei, sollte sie an die Macht kommen, „daran hindern, das Rassenproblem und die Judenfrage zu lösen“. Im Bund mit der NP, wenn auch nicht immer konfliktfrei, arbeiteten Milizen wie die 1938 gegründete „Ossewa Brandwag“ (OB), deren Mitglieder Uniformen trugen, sich den Hitlergruß zu eigen machten und militärische Sabotageakte verübten. Ihre Führer und viele ihrer Mitglieder wurden mehrfach interniert. OB-Aktivisten studierten in Hitler-Deutschland und schrieben Bücher gegen die „Blutsvermischung“ der Rassen. OB-Vizekommandeur Johannes Vorster sagte 1942: „Wir stehen für einen christlichen Nationalismus – Verbündeter des Nationalsozialismus. In Italien nennt man es Faschismus, in Deutschland Nationalsozialismus und in Südafrika christlichen Nationalismus.“

1945 schlug die Stunde der NP. 145.000 südafrikanische Soldaten kehrten aus dem Krieg heim – die meisten davon Weiße. Arbeit erhielten sie oft keine. Der Grund war schnell ausgemacht: Schwarze und Inder nähmen den Weißen die Arbeitsplätze weg. So forderte die NP nun die totale Rassentrennung.

Völlig überraschend gewann die NP damit 1948 die Wahlen, während Kriegsheld Smuts nicht einmal seinen Parlamentssitz behielt. NP-Führer Malan wurde Premierminister. Eric Louw, der „das Rassenproblem und die Judenfrage“ lösen wollte, wurde später Außenminister. Der „christliche Nationalist“ und OB-Vizekommandeur John Vorster war von 1966 bis 1978 Staatspräsident.

Die NP blieb 46 Jahre an der Macht – bis 1994. In keinem anderen Land der Welt haben einstige Faschisten nach 1945 einen derartigen Triumph erleben können. Dominic Johnson

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